Das Gold des Bischofs
harmlos.«
»Ich habe ewig lange gesucht«, fuhr Roger fort. »Dann sah ich dieses silberne Kästchen auf dem Tisch. Ich wollte sehen, ob dort vielleicht eine Schale drin war â und da war eine. Eine hölzerne.«
»Die Schädeldecke des heiligen Oswald«, stellte Geoffrey fest.
»Aber es sah nicht aus wie ein Schädel«, wandte Roger ein. »Es sah aus wie eine Schale. Und woher hätte ich wissen sollen, dass St. Oswald auf dem Tisch meines Vaters steht?«
»Als Flambard zurückkam und bemerkte, was Roger getan hatte, da war er entsetzt«, sagte Eleanor und schüttelte erneut den Kopf über diese ganze Ungerechtigkeit. »Er wollte Roger nicht einmal zuhören.«
»Er war unvernünftig«, pflichtete Roger ihr bei. »Ich bot ihm an, Oswald genauso wieder zurückzulegen, wie ich ihn gefunden hatte. Er aber sagte, mich würde der Blitz treffen, wenn ich ihn ein weiteres Mal berührte. Er und Turgot befanden, dass ich eine solche Schändung nur wieder gutmachen könne, indem ich mich dem Kreuzzug anschlieÃe.«
Geoffrey rieb sich das Kinn. Auch wenn er es kaum zugeben konnte, fand er die Vorstellung durchaus belustigend, wie Roger trunken im Dunkeln umhertappte und gar nicht auf den Gedanken kam, dass ein Kerzenhalter wohl kaum in einer silbernen Schatulle untergebracht wäre. Aber die Kirche hatte entschieden etwas dagegen, die Knochen eines Heiligen als Geschirr zu gebrauchen, und Geoffrey konnte gut verstehen, warum der Bischof und der Prior eine Pilgerfahrt für nötig erachteten. Gewiss hatte man auch in Erwägung gezogen, dass eine lange und gefährliche Reise Roger zudem von den Schotten fernhalten würde. Flambard hatte drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Er hatte verhindert, dass Roger die Schändung herumerzählte und Vergeltung auf seine Familie herabbeschwor; er hatte erwirkt, dass Roger von seiner Sünde gereinigt wurde, und er hatte sich Rogers Abwesenheit zunutze gemacht, um dem Friedensangebot der Schotten zuzustimmen.
»Unser Vater hat Turgot nicht die genauen Einzelheiten verraten«, erklärte Eleanor. »Aber er hat eine Schändung erwähnt. Turgot hat versprochen, das Geheimnis zu bewahren, und meines Wissens nach hat er das auch getan â bis jetzt, heiÃt das. Es war nicht recht von ihm, Euch davon zu erzählen.«
»Das stimmt«, pflichtete Geoffrey ihr von ganzem Herzen bei. »Ich wünschte, er hätte es für sich behalten.«
»Es wurde eine Geschichte in Umlauf gebracht, dass die Schotten Roger weghaben wollten«, sagte Eleanor. »Seit Roger fort ist, hatten wir keinen Ãberfall mehr, also haben sie vielleicht tatsächlich eine Art Vereinbarung getroffen.«
»Nun, du kannst mir nicht böse sein«, befand Roger. »Ich habe für meine Sünde gebüÃt. Wenn der heilige Oswald nicht länger verärgert über mich ist, hast du auch kein Recht dazu.«
»Ich bin nicht deshalb böse mit dir«, erwiderte Geoffrey. »Ich bin verärgert, weil du Turgot meine Dienste angeboten hast. Du hast ihm zugesichert, ich würde die dritte Karte finden, bevor es zu der Erpressung kam.«
»Ich wollte nur helfen«, beklagte sich Roger. »Ich dachte, dir gefällt die Kathedrale und du würdest gern zu ihrer Vollendung beitragen.«
»Nicht auf diese Weise. Ich fürchte, in Flambards Plan geht es nicht nur darum, den Schatz zu finden.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«, fragte Eleanor. »Um was könnte es sonst noch gehen?«
»Das weià ich nicht«, antwortete Geoffrey. »Aber ich wünschte, wir müssten es nicht herausfinden.«
»Ihr macht Euch zu viele Gedanken über eine einfache Sache, Geoffrey«, befand Eleanor, während sie die Suppe in Zinnschalen schöpfte und Hornlöffel auf den Tisch legte. DrauÃen war es inzwischen stockdunkel geworden, und der Wind hatte noch zugenommen. Er pfiff den Kamin herab und lieà die Teppiche schlagen und zittern, als wären sie lebendig.
»Alles erscheint so kompliziert«, sagte Geoffrey und nahm einen Löffel. »Turgot wirkt auf mich ehrlich genug. Warum wollte Flambard ihm nicht einfach erzählen , wo der Schatz vergraben ist? Warum all diese Täuschung und Geheimnistuerei?«
»Wenn dort genug Gold ist, um einhundert Steinmetze und Zimmerleute und das Arbeitsmaterial für die nächsten vier Jahrzehnte zu kaufen,
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