Das Gold des Columbus
setzte. Bravo, Señor Méndez, dachte er. Das waren genau die richtigen Worte.
»Aber selbst der größte Seemann braucht eine Mannschaft«, fuhr der Dolmetscher fort. »Und diese Mannschaft ist, im Gegensatz zu Euch, Herr Admiral, am Rande ihrer Kräfte. Sie braucht Ruhe. Erholung. Frisches Wasser und frische Nahrung. Erlaubt den Männern einen kurzen Urlaub. Die Wasserstraße ist da und kann Euch nicht davonlaufen, Ihr werdet sie finden, ob heute oder morgen oder in einer Woche.«
Der Admiral schien ihn nicht gehört zu haben. »Seit zehn Jahren suche ich die Länder aus Marco Polos Bericht. Und die großen Städte voller Gold und Gewürze. Was nützen mir die Inseln, die ich bisher entdeckt habe? Nur Dörfer gibt es dort mit nackten Menschen. Ich pflanze die spanische Fahne auf, und die Indianer begreifen nicht einmal, was ich tue. Das sind keineswegs die Eroberungen, die ich brauche.« Er unterbrach sich und starrte vor sich hin. »Aber Ihr habt Recht, Señor Méndez. Die Männer sind erschöpft. Wir werden einen Ankerplatz suchen.«
Im ersten Morgenlicht zeigten sich viele dunkle Erhebungen auf dem Wasser. Beim Näherkommen erwiesen sie sich als ein Gewirr von Inseln, vom Urwald dicht überwachsen, von weißen Sandstränden gesäumt. Die vier Karavellen fuhren langsam durch die Wasserstraßen, die sich manchmal so verengten, dass fruchtbeladene Zweige das Takelwerk streiften. In einer türkisblauen Lagune gingen die Schiffe vor Anker.
Der Admiral ließ sich ans Ufer rudern, in der Hand eine Fahne mit den königlichen Wappen und Initialen, und stieg als Erster an Land. Alle Kapitäne und Piloten folgten. Er stieß den Schaft der Fahne in den Boden und rief mit lauter Stimme: »Im Namen meiner Herren, der Könige Ferdinand und Isabella, ergreife ich Besitz von dieser Insel und unterstelle sie der Oberhoheit der spanischen Krone.«
Diego de Porras, Notar und Rechnungsführer der Flotte, hatte ein Tischchen mit Tinte, Feder und einem Pergament aufgebaut und verfertigte eine Urkunde über die Landnahme, die der Admiral und zwei Kapitäne als Zeugen unterschrieben.
Diego Méndez stand mit den beiden Jungen in der letzten Reihe der Gelandeten und blickte mit glänzenden Augen um sich. »So habe ich mir das vorgestellt«, flüsterte er. »Angenehme Wärme, ein leichter Wind, die Luft erfüllt von Wohlgerüchen, die Pflanzen üppig und schwellend. Seht euch die Schilfrohre dort an! Sie sind so dick wie Oberschenkel. Und die Bananenstauden da drüben brechen fast zusammen unter den Früchten. So muss das Paradies ausgesehen haben. Und da kommen seine Bewohner. Ebenfalls in paradiesischem Zustand.«
Aus dem Dickicht traten zögernd einige Menschen, braunhäutig, zierlich, mit langen schwarzen Haaren - und tatsächlich ohne ein einziges Kleidungsstück, ob Männer oder Frauen. Pablo und Fernan blickten sich verlegen an. Sie hatten schon auf den ersten Inseln, auf denen sie nach der Überfahrt gelandet waren, nackte Eingeborene gesehen, aber das war immerhin ein Vierteljahr her. Und auch damals war der Anblick - ja, schockierend gewesen. Gott hatte den Menschen befohlen, sich zu verhüllen, und man verging sich gegen Gottes Gebote, wenn man diesem Befehl nicht folgte.
»Ich verstehe nicht, warum mein Vater ihnen keine Kleider mitgebracht hat«, murmelte Fernan. »Er soll sie doch zum christlichen Glauben bekehren, da können sie doch nicht nackt sein.«
»Vielleicht will er sie erst bekehren und dann...«, fing Pablo an, aber die dröhnende Stimme des Admirals übertönte ihn.
»Señor Méndez! Und Juan! Ich brauche Dolmetscher!«
»Du kommst mit, Pablo! Vier Ohren hören mehr als zwei.«
Inzwischen waren zu den Eingeborenen ein älterer und ein junger Mann getreten, die sich sehr glichen und die beide einen großen goldenen Vogel auf der Brust trugen.
»Erklärt ihnen, wer ich bin, woher ich komme und dass Gott, der Herr der Welten, mich geschickt hat«, befahl der Admiral. »Ich brauche Fleisch, Fisch, Früchte, Brot, so viel sie entbehren können, und ich werde für alles bezahlen. Sie können zum Beispiel diese herrlichen Glasketten bekommen im Tausch für ihre Vögel.«
Der Admiral ließ zwei Glasperlenketten in der Sonne glitzern. Yumbeh übersetzte. Die beiden Männer näherten sich und überreichten feierlich ihre Ketten mit den Vögeln. Der Admiral gab sie an den Notar Porras weiter, als ob sie ihm gar nicht so wichtig wären, und schmückte die beiden mit den Glasperlen.
»Bei allen Heiligen«, sagte
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