Das Gold des Columbus
bevor das Krokodil über ihn hergefallen war.
»Die Schaluppe ist entkommen«, meldete er seinem Vater. »Aber einen Mann haben die Krokodile erwischt.«
»Wie viele sind es?«
»Bestimmt weit über hundert. Man kann sie kaum zählen.«
»Dann können wir hier nicht bleiben. Wir brauchen unbedingt frisches Wasser. Wir müssen einen weniger gefährlichen Fluss suchen. Schick mir gleich den Kapitän.«
Fernan zögerte. »Felipe sagt, die Schiffswürmer haben noch mehr Löcher gemacht. Er kommt kaum nach mit dem Stopfen, obwohl ihm alle helfen. Er sagt, wir können uns in diesem Zustand nicht aufs Meer wagen.«
»Wenn ich einmal an der Meinung der Mannschaft interessiert sein sollte, werde ich es dich wissen lassen.«
Das schmerzte mehr als eine Ohrfeige. Warum war der Vater so hochmütig? Bei dem Diktat eben, da hatte es auch nur »Ich, ich, ich« geheißen. Er fuhr doch nicht allein! Er hatte über hundert Männer bei sich, die sich fast totarbeiteten für ihn. Aber - aber sie wären auch alle tot, wenn der Vater sie nicht durch die Kraft seiner Gebete vor der Wasserhose gerettet hätte. Vielleicht war er gar nicht hochmütig. Vielleicht war er tatsächlich anders als alle anderen Menschen.
Fernan senkte den Kopf. Ob der Vater sich so sicher in Gottes Hand fühlte und so sehr auf seinen Beistand vertraute, dass er sich ein Scheitern gar nicht vorstellen konnte? Aber warum quälte Gott ihn mit wochenlangen Unwettern, die alle zur Verzweiflung trieben? Und warum ließ er die Schiffswürmer nagen? Und warum ließ er ihn keinen sicheren Hafen mit Trinkwasser und Nahrung finden? Acht Monate lang fuhren sie jetzt fast pausenlos zur See und alle Vorräte gingen zur Neige.
Der Vater stöhnte leise. »Diese Schmerzen sind teuflisch. Sag auch dem Arzt, dass er kommen soll, vielleicht kann er mir etwas geben.«
Am nächsten Tag entdeckte der Mann im Ausguck einen Fluss, aber keine Bucht. Sie hatten gerade Zeit, die Fässer mit frischem Wasser zu füllen, da verschlechterte sich das Wetter wieder. Der Sturm trieb sie aufs Meer hinaus, der sintflutartige Regen begrub sie unter sich. Weihnachten verbrachten sie in einer Bucht, die sie hinter den Wasserschleiern kaum erkennen konnten, aber wenigstens geschützt vor dem Sturm. Am Dreikönigstag fuhren sie an einem kleinen Fluss vorbei, während am Himmel eine tiefschwarze Wolkenwand in die Höhe wuchs. Sie schwenkten in den Fluss ein, mit kaum zehn Handbreit Wasser unterm Kiel, und gingen vor Anker. Über dem Meer brüllte der Sturm, der Donner krachte zwischen zuckenden Blitzen.
»Da draußen wären wir jetzt geliefert«, sagte Felipe. »Das soll dem Admiral erst mal jemand nachmachen. Kein anderer hätte sich getraut, die Schiffe in dieses Nadelöhr zu bugsieren.«
Der Admiral taufte den Fluss Belén, zur Erinnerung an die Heiligen Drei Könige und ihre Reise nach Bethlehem. Der sintflutartige Regen hielt an, trotzdem wurden Erkundungstrupps ausgeschickt. Sie fanden zur allgemeinen Erleichterung keine Krokodile, aber einige freundliche Indianerfamilien in weit verstreuten Hütten, umgeben von Maisfeldern. Zumindest die Ernährung war damit gesichert. Es gab sogar weißen Wein aus Palmherzen, roten aus Mais und Gewürzen und ein likörähnliches Getränk aus Ananassaft und Honig. Das hob die Stimmung.
»Der Adelantado hat mich für heute Abend eingeladen, Pablo.« Señor Méndez hatte versucht, seinen struppigen Bart mit einem Messer in Form zu bringen. »Falls ich die Zeit vergessen sollte, hol mich rechtzeitig zu meiner Wache.«
Jetzt war es schon spät, also hangelte sich Pablo am Ankerseil entlang zum Ufer und an der Santiago wieder hinauf. Seine bloßen Füße machten kein Geräusch auf den Planken. Vor der Kajüte blieb er zögernd stehen. Er konnte doch nicht einfach das Gespräch der Herren unterbrechen.
»Und ich sage Euch, diese Meerenge ist ein Hirngespinst, Señor Méndez. Was soll sie uns jetzt noch nützen? Unsere Schiffe zerfallen, die Mannschaften sind am Ende. Wir kommen nicht nach Asien. Selbst wenn mein Bruder die Durchfahrt findet, dann werden andere wieder ernten, wo er entdeckt hat. Soll er deshalb Leib und Leben riskieren?«
»Aber er gibt nicht auf. Er will weitersuchen. Das hat er mir selbst gesagt.«
»Das glaube ich wohl. Ich weiß auch, warum. Er muss einfach Erfolg haben, er muss. Vor der ersten Fahrt hat er Schiffe voll Gold und Perlen und Gewürzen versprochen. Was hat er gebracht? Ein paar nackte Indianer, ein bisschen Gold. Und
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