Das Gold des Columbus
Gewürze, die keine waren.« Die Stimme des Adelantado klang schwer vom Wein. »Was hat er vor der zweiten Fahrt versprochen? Länder, die von Gold und Edelsteinen überfließen. Was hat er gefunden? Die Leichen seiner Kameraden, das Gold tief in der Erde und Indianer, die sich weigerten, es herauszuholen. Und vor der dritten Fahrt? Das asiatische Festland, die goldenen Reiche Marco Polos, Indien, Ophir, die Herrschaften des Groß-Khans. Stattdessen Aufruhr und Mord, Schlachten mit Indianern und Kämpfe gegen die eigenen Leute. Wenn er jetzt wieder mit leeren Händen kommt...«
Gläser klirrten.
»Ich verrate Euch ein Geheimnis, Señor Méndez«, fuhr Bartolomé Colón fort. »Mein Bruder spricht selten über seine Familie. Er hält Gottes Segen für wichtiger als eine hohe Abstammung. Früher hat er manchmal einen Admiral unseres Namens erwähnt. Und er spricht häufig von seinen Studien der alten Autoren. Aber in Wahrheit war unser Vater ein armer Wollweber, der außerdem noch eine Schänke betrieb, um die Familie durchzubringen, und unsere einzige Schwester ist mit einem Käsehändler verheiratet.«
Pablo traute seinen Ohren nicht. Der Vizekönig von Indien, der Admiral des ozeanischen Meeres, stammte aus einer Schänke? Und hatte am Ende sogar selbst am Webstuhl gesessen?
»Ihr kennt gewiss den Stolz des spanischen Adels, Señor Méndez. Jeder kleine Hidalgo fühlt sich Nichtadeligen überlegen. Und für die Herzöge und Grafen am Hof mit den uralten Stammbäumen war es eine unerträgliche Kränkung, dass ihnen auf einmal ein Unbekannter aus Genua vorgezogen wurde. Sie warten auf sein Scheitern wie Raubtiere im Käfig auf die Fütterung. Schon seit Jahren arbeiten einige hohe Herren an seinem Sturz. Und der König ist auf ihrer Seite. Er kann es nicht ertragen, dass all die Gebiete, die mein Bruder entdeckt hat, nicht direkt der spanischen Krone unterstehen, sondern dem Vizekönig Colón. Ihm wird jeder Vorwand recht sein, ihn zu entmachten.«
»Aber unsere Reise ist doch noch nicht zu Ende.« Auch Diego Méndez sprach mit schwerer Zunge. »Ich danke Euch für Euer Vertrauen, Don Bartolomé. Auch ich habe ein Geheimnis. Also hört und staunt. Es soll einen Kaziken im Urwald geben. Und der hat Zutritt zu einem Mann, den alle Quibian nennen. Ich nehme an, das ist der König dieses Landes. Und er ist außerdem der Besitzer unermesslicher Goldfelder.«
Pablo spitzte die Ohren. Er hatte wohl gesehen, dass Señor Méndez immer wieder zu den Hütten der Indianer gegangen war. Aber der Dolmetscher hatte ihm nicht verraten, was er dort erfahren hatte. Pablo verspürte einen Stich der Enttäuschung. Señor Méndez hatte ihn in letzter Zeit häufiger »mein Sohn« genannt und hatte ihn überhaupt nie wie einen Schiffsjungen behandelt. Aber von den Goldfeldern hatte er ihm nichts erzählt.
»Ist das wirklich wahr? Das wäre ja nicht auszudenken! Darauf müssen wir noch ein Glas trinken!« Wieder klirrte es. »Wenn mein Bruder mit Schiffen voller Gold zurückkommt, dann muss der König ihm Española zurückgeben. Dann muss er alle Verträge erfüllen, denen er sich so schnöde entziehen will. Dann muss er - habt Ihr es ihm schon gesagt? Weiß mein Bruder es schon?«
»Nein, noch nicht. Ich will keine Hoffnungen wecken, die sich dann doch nicht erfüllen. Deshalb möchte ich Euch auch bitten, noch nicht darüber zu sprechen.«
»Ja, da habt Ihr Recht. Das klingt vernünftig. Auf Euer Wohl, Señor Méndez. Auf dass das Geheimnis sich bald und freudig enthüllen möge!«
Wenn es ein Geheimnis bleiben soll, dann kann ich jetzt auf keinen Fall klopfen, dachte Pablo. Dann werden sie misstrauisch. Er huschte die Treppe hinunter und bat den Wachhabenden, Señor Méndez auszurichten, dass er auf der Capitana erwartet würde.
Am nächsten Morgen sah Diego Méndez ziemlich verkatert aus. »Ich gebe dir einen guten Rat, Pablo, lass die Finger von diesen Ersatzweinen. Mein Kopf fühlt sich an wie das Fell einer Trommel unter den Trommelstöcken. Komm mit, ich muss mit dir reden.«
Sie gingen den Weg zu den Indianerhütten hinauf. Unter einem dicken Baum blieb Señor Méndez stehen. »So, hier kann uns niemand hören. Ich will dir nämlich ein Geheimnis verraten, Pablo. Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann. Das hab ich schon gewusst, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, auf den Stufen vor der Kathedrale. Du hast mir gleich gefallen. Sehr sogar. Und mir gefällt besonders, mit welchem Eifer du die indianische Sprache
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