Das Gold des Columbus
lernst. Wenn du mein Sohn wärst und mein Interesse an Sprachen geerbt hättest, könntest du nicht eifriger sein.«
Er sah eine Zeit lang schweigend vor sich hin. »Meine Frau und mein einziges Kind sind vor fünf Jahren an der großen Seuche gestorben. Miguel wäre jetzt so alt wie du. Und ich bin wieder zur See gefahren, weil ich nichts mehr hatte, was mich in Spanien hielt.« Er bewegte den Kopf, als ob er die traurigen Erinnerungen verscheuchen wollte. »Und jetzt habe ich eine Entdeckung gemacht, die für uns alle von größter Bedeutung sein kann. Du kennst doch den Indianer mit der Narbe auf der Brust? Der wird mich morgen zu einem Kaziken im Urwald führen, der dem König der Goldfelder untertan ist. Das Schicksal des Admirals und seiner ganzen Reise hängt jetzt von uns ab.«
Er hat von uns gesagt, nicht von mir , dachte Pablo. Die Enttäuschung vom gestrigen Abend machte einer großen Freude Platz.
»Ich möchte zunächst ohne dich gehen, Pablo. Ich glaube zwar nicht, dass es gefährlich ist. Du hast ja gehört, dass die Indianer hier uns für die alten Götter halten, die einstmals zum Himmel aufgestiegen sind. Aber du bist der Einzige, der mit dem Kaziken und dem Quibian sprechen kann, falls mir etwas passieren sollte. Ich werde dir den Weg zu dem Kaziken beschreiben und ihn bitten, auch dich zu seinem König zu führen. Du musst... Was hast du?«
Pablo starrte auf das Gewirr von Lianen, das von dem Baum herunterhing. War die eine in der Mitte nicht dicker als die anderen? Und hatte sie sich nicht gerade bewegt? Ob es hier Schlangen gab, armdicke grüne Schlangen? Nein, das war keine Schlange, das war eine Schwanzspitze! Und der Schwanz gehörte zu einem Tier von abstoßender Hässlichkeit, das auf einem Ast über ihren Köpfen hockte. Es sah aus wie eine riesige gepanzerte Eidechse. Pablo riss Señor Méndez zur Seite und zeigte nach oben.
»Beim Himmel! Das sieht ja aus wie aus einem Albtraum. Oder wie der Drache des heiligen Georg. Was ist das, gute Frau?«, fragte er eine Indianerin, die mit einem Korb voller dicker weißer Knollen vorbeikam.
»Iguana 65 . Schmeckt gut.« Die Frau rieb sich den nackten Bauch.
»Sollen wir nicht versuchen, eins zu jagen? Dann hätten wir wenigstens mal frisches Fleisch.«
Der Dolmetscher wiegte zweifelnd den Kopf. »Wie ich unsere Matrosen kenne, essen die lieber halb verfaultes Pökelfleisch als so ein Untier.«
Am nächsten Morgen brach Diego Méndez mit einem kleinen Trupp Soldaten und dem indianischen Führer in aller Frühe auf. Am Abend kamen sie zurück. Diego Méndez überreichte dem Admiral eine Maske aus Gold und einen goldenen Krug.
»Ich weiß den Weg zum König Quibian. Er besitzt 80 000 Soldaten und viele tausend Kanus, sagt der Kazike. Und riesige Wälder, in denen das Gold wächst.«
Auf allen Schiffen ertönten Geschrei und Jubel.
In den nächsten Tagen suchten die Kapitäne mehrere dutzend der kräftigsten und gesündesten Männer für die Fahrt zum Quibian aus. Auf einmal wollte keiner mehr krank oder schwach sein. Dass man die schweren Schaluppen gegen den Strom rudern musste, brachte niemanden zum Murren. Dass die Fahrt durch Indianerland führte, wurde mit einem Achselzucken abgetan. Es fuhren ja Soldaten mit und überhaupt waren die Indianer hier wie harmlose Kinder.
Vor dem Aufbruch hielt der Admiral eine kurze Ansprache.
»Unser aller Zukunft wird von dieser Fahrt abhängen. Jeder Mann auf diesen Schiffen hat einen Traum. Wir alle träumen vom Reichtum. Es ist möglich, dass wir endlich kurz vor der Erfüllung dieses Traumes stehen. Vielleicht gibt es hier Gold, vielleicht sogar unermesslich viel Gold. Aber ob wir es in unseren Besitz bringen und ob wir es auch behalten, das liegt allein an euch. Ihr habt am eigenen Leib erfahren, dass die Indianer nicht jedes Verhalten hinnehmen. Also haltet euch immer vor Augen, dass ihr als reiche Leute nach Spanien zurückkehren wollt, und benehmt euch entsprechend. Geht mit Gott!«
Am 6. Februar 1503 fuhren die beiden Schaluppen unter der Leitung von Bartolomé Colón und Diego Méndez an der Küste entlang und dann den Rio Veragua 66 hinauf.
Fernan und Pablo blieben zurück. Sie stiegen in den stinkenden, düsteren Schiffsbauch hinunter und halfen Felipe beim Kalfatern der Capitana .
»Zieht nicht so saure Gesichter, ihr zwei. Ich kann mir schon denken, dass ihr lieber in den Booten wärt. Aber unsere Arbeit ist mindestens ebenso wichtig wie das Goldsuchen. Denn wir wollen das Gold ja
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