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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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Gott, sei mir armem Sünder gnädig. Wenn man im Angesicht des Todes Reue zeigte, dann kam man nur kurz ins Fegefeuer.
    Aus dem Augenwinkel sah er eine rennende Gestalt in dunklen Kleidern, dann ertönte eine keuchende Stimme: »Fass, Diablo, fass!«
    Mit einem tiefen Röhren, das wie der Brunftschrei eines Hirsches klang, raste die Dogge an Pablo vorbei, sprang den Indianer an und riss ihn zu Boden. Die mächtigen Kinnladen des Hundes schlossen sich um die Kehle des Mannes. Pablo glaubte, ein Knirschen zu hören. Die Keule löste sich aus der Faust des Indianers, seine Glieder erschlafften.
    Der Hund hatte schon den nächsten Krieger umgeworfen und gepackt. Wie eine Fontäne spritzte das Blut aus der Halsschlagader des am Boden Liegenden. Seine Rippen zerbrachen unter den Krallen der Dogge, als die sich mit den Hinterpfoten auf dem Brustkorb abstieß und mit einem gewaltigen Sprung einem anderen Indianer an die Kehle fuhr. Der brach in die Knie. Der Mann hinter ihm heulte eine Warnung und wandte sich zur Flucht. Aber mit zwei mächtigen Sätzen hatte Diablo ihn eingeholt, sprang ihm auf den Rücken und zerbiss ihm das Genick.
    Jetzt begannen alle Indianer zu schreien, die in die Siedlung eingedrungen waren. Es war nicht das Kriegsgeheul von eben, sondern ein Kreischen und Winseln, das panische Furcht ausdrückte. Wenn man noch nie einen Hund von Diablos Größe und Umfang gesehen hatte, dann konnte einen allein der Anblick entsetzen. Seine Mordlust ließ ihn wie ein höllisches Untier wirken, das eher einem Albtraum entsprungen schien als der Wirklichkeit.
    Alle Krieger, die Pablo sehen konnte, drehten sich um und rannten. Die Dogge setzte ihnen nach - packte zu - sprang - packte zu - sprang - packte zu... Ein vom Blutrausch ergriffener Marder in einem Hühnerhof konnte nicht mitleidloser wüten, dachte der Junge schaudernd. Aber das sind Menschen! O Gott, das sind Menschen! Er wusste längst, dass Diablo auf Indianer dressiert war, deshalb war er auch an Land nie von der Kette gelassen worden. Aber so hatte sich Pablo das nicht vorgestellt. So nicht!
    Eine Kanone brüllte. Kreischend lösten sich hunderte von Vögeln aus den Baumwipfeln und stoben davon. Blauer Dampf wölkte in die Höhe. Wieder krachte ein Kanonenschuss. Der Dampf rollte zwischen die Hütten. Es roch scharf nach verbranntem Pulver. Pablo musste husten. Er merkte auf einmal, dass er immer noch auf allen vieren hockte wie eben, als er den tödlichen Schlag des Keulenträgers erwartet hatte.
    Plötzlich umklammerte eine Hand seinen Arm. Pablo zuckte zusammen, aber sie gehörte dem Mann neben ihm. Er schrie nicht mehr, sondern stöhnte nur noch leise und blickte den Jungen flehend an.
    »Zieh ihn raus«, krächzte er.
    Pablo drehte sich zu ihm. Entsetzt sah er, dass ein Speer im Unterleib des Mannes steckte und ihn förmlich an den Boden festnagelte. Aber wenn er ihn herauszog, dann stünde die Bauchdecke offen, vielleicht würden sogar die Gedärme austreten.
    »Willst du nicht lieber auf den Arzt warten?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Los, mach schon!«, ächzte er. Pablo umklammerte den Schaft des Speeres mit beiden Händen und riss ihn in die Höhe. Die Waffe löste sich mit einem schrecklichen Geräusch, ein Blutstrom durchtränkte die Beinkleider des Mannes. Das verzerrte Gesicht des Mannes entspannte sich, als ob ein unerträglicher Schmerz von ihm genommen wäre.
    »Beten!«, hauchte er.
    Pablo faltete die Hände und begann das Vaterunser. Die ersten Worte flüsterte der Mann noch mit, dann erstarb seine Stimme. Seine Augen standen offen und starrten in den seidenblauen Himmel, als Pablo das Amen sprach. Pablo streckte zögernd die Hand aus und drückte ihm die Augen zu. Dann nahm er die Hände des Toten und versuchte, sie zu falten. Die Finger waren von Schwielen und Narben übersät wie bei allen Seeleuten.
    Pablo wusste nur, dass der Mann von der Vizcaina kam, er kannte nicht einmal seinen Namen. Die 70 Männer von den vier Schiffen hatten ja erst am Vortag die Niederlassung Belén bezogen. Ob er wohl Frau und Kinder hatte? Oder war er für seine Eltern oder Geschwister an Bord gegangen? Die würden jetzt vergebens auf ihn und auf die goldenen Schätze warten. Ein toter Mann kriegt keine Heuer - das war eine der eisernen Regeln der Seefahrt.
    Der Junge griff nach der Pike des Toten und richtete sich langsam auf. Er wog die Waffe in der Hand. Ob er fähig sein würde, sie durch einen menschlichen Körper zu stoßen? Ihm kam auf einmal

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