Das Gold des Columbus
sie wieder in See, mit dem Ziel Española.
»He, Pablo, komm mal her!« Pedro stand an der Reling und starrte angestrengt über das Wasser. »Siehst du das auch?«
Pablo trat neben ihn. Wenn Pedro ihn nicht Eselsschiss nannte und mit derartig belegter Stimme sprach, dann musste ihn etwas verunsichert haben. Und dazu gehörte schon einiges. Er folgte dem deutenden Finger des Bordschützen und fuhr zusammen. Eine dreieckige Flosse durchschnitt die glatte Oberfläche des Meeres wie ein Messer.
Pablo krampfte die Hände um die Reling und beugte sich nach vorn. Das Wasser verfärbte sich vom zarten Türkis der oberen Region zu einem dunklen, satten Grün in der Tiefe. Aber es war überall durchsichtig wie Glas, obwohl es sich nach unten hin verschleierte. Pablo erkannte deutlich die langen dunklen Leiber mit den spitzen Schnauzen.
»Das sind Haie«, sagte er. »Viele Haie.«
Als ob die Fische ihn gehört hätten, schossen sie auf einmal in die Höhe. Zahllose schwarze Flossen pflügten verwirrende Muster in die flachen Wellen, schnell und lautlos. Nur das Rauschen des Kielwassers am Bug des Schiffes war zu hören, das Knarren der Planken und Wanten, das leise Knattern der Segel. Allmählich glätteten sich die Muster zu einem großen Oval.
»Sie umkreisen uns«, flüsterte Pedro. »Sie schließen uns ein. Und weißt du, was das heißt? Sie wittern die Schiffe, die kurz vorm Sinken sind. Die Haie bedeuten, dass wir untergehen werden.«
»Hör auf mit deinem abergläubischen Gefasel!« Juan Quintero war hinter die beiden getreten. »Die Viecher wittern wahrscheinlich nur, wie lange wir uns nicht mehr gewaschen haben. Hol lieber deine Armbrust raus und schieß uns eine frische Mahlzeit. Haifischflossen sind eine Delikatesse und aus dem Fleisch kann man einen ordentlichen Eintopf kochen.«
»Brauchen wir keinen Köder?«, fragte Pablo.
»Ach was! Schau dir an, wie viele da sind. Die wimmeln ja nur so durcheinander. Nehmt Harpunen, ihr zwei, damit uns die Beute nicht wegsackt.«
Pedro und Alejo legten an und schossen. Das Wasser verwandelte sich in ein Brodeln aus schlagenden Leibern, die in die Tiefe tauchten. Nur einer blieb an der Oberfläche. Die Bordschützen zogen ihn mit den Leinen der Harpunen nahe ans Schiff heran, obwohl er sich wehrte. Pedro feuerte noch einmal. Eine breite Blutspur verdunkelte das Wasser. Der Hai bewegte sich nur noch schwach.
»Zwei Seile her mit Schlingen drin! Schnell!« Juan Quintero hatte das Jagdfieber gepackt. »Ja, wisst ihr denn nicht, wie man die Viecher an Bord kriegt, ihr Milchbärte? Ich habe schon Haie gejagt, da lagt ihr noch in den Wickelbändern.«
Ungeduldig nahm er Fernan und Pablo die Seile aus der Hand und knotete Schlingen hinein. Er ließ die eine vor dem Maul des Hais baumeln und zog sie bei der ersten passenden Bewegung über den Kopf, dann die nächste unter der Rückenflosse hindurch. Die Seile wurden am Schiff befestigt und der Hai über die Seite gehievt, bis er schwer auf Deck fiel. Er war immer noch nicht tot und schlug krampfhaft mit der Schwanzflosse um sich. Pedro nahm ein Beil und versetzte seinem Schädel krachende Schläge, dann zog er ein Messer und schlitzte ihm den Bauch auf. Im Magen des Hais lagen viele unverdaute Fische und eine Schildkröte.
»Als Vorspeise gibt’s heute Fisch- und Schildkrötensuppe, als Hauptgericht Haifisch-Stew«, sagte Juan Quintero vergnügt.
Die Matrosen lösten die gewaltige Leber heraus, schnitten ein Stück davon ab, spießten es als Köder auf den Haken und schleuderten die Leine über Bord. Nach wenigen Minuten hing ein weiterer Hai am Haken. Bald lagen drei riesige Haie von fast vier Metern Länge auf dem blutverschmierten Deck der Capitana . Alle Schiffsjungen mussten den Rest des Tages darauf verwenden, das Fleisch zu braten oder einzupökeln.
»Die Eingeborenen gewinnen Öl aus gekochter Fischleber«, erinnerte sich Pablo.
Die anderen schüttelten sich angewidert. »Wir sind doch keine Indianer.«
»Aber wir haben bald kein Öl mehr«, wandte Pablo ein.
»Du willst doch nicht etwa Lebertran mit Olivenöl vergleichen? Es ist schlimm genug, dass wir dieses stinkige Fischfleisch essen müssen. Lieber würge ich meinen Vizcocho trocken runter, als dass ich Lebertran drauftu«, erklärte Fernan, und die anderen stimmten ihm zu.
Am zweiten Tag nach der Haifischjagd verfinsterte sich der Himmel. Weit in der Ferne erklang ein Brausen, von dem man nicht sagen konnte, ob es aus den Wolken kam oder aus den
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