Das Gold des Gladiators
Weißes Hirtentäschel, die Sternchen der Gänseblümchen und gelbe Schlüsselblumen sammelten sie ein, in einem Gehölz bedeckten die Buschwindröschen und kleine blaue Hyazinthen den Boden. Didia fand das blau blühende Immergrün und erste Vergissmeinnicht, Caecilia die blau-gelben Blüten des wilden Stiefmütterchens. Mit dieser Ausbeute setzten sie sich auf den Stein und wanden mit flinken Fingern Kränze. Nachdem die Blumen hübsch geflochten um die Opferkuchen gelegt waren, meinte Ingwar plötzlich: »Wo ist Khep eigentlich geblieben?«
»Er war in meiner Nähe, als ich dahinten unter den Bäumen Blumen gepflückt habe«, meinte Didia und sah sich um. »Ob er sich verirrt hat?«
»Khep – verirrt? Der doch nicht. Eher denkt er sich einen Schabernack aus«, vermutete Titus. »Wir sollten aber allmählich aufbrechen, es sieht nach Regen aus.«
»Rufen wir ihn!«
Khep war auf der Suche nach einer ganz bestimmten Blume weiter- und weitergewandert und hatte dabei suchend seinen Blick auf den Boden geheftet. Daher bemerkte er die untersetzte Gestalt nicht, über deren Haupt eine Gewandfalte der Toga gezogen war und das Gesicht tief beschattete. Er lief sozusagen direkt in den Mann hinein. Erschrocken sah er auf, erkannte unter dem Stoff aber das Gesicht nicht. Wohl aber spürte er den harten Griff, mit dem er festgehalten wurde.
»Wer bist du?«, wurde er harsch gefragt.
»Nur ein Sklavenjunge, Herr. Nicht von Bedeutung, Herr. Bitte lass mich gehen, Herr.«
»Dein Name, Bengel!«
»Neferkheperuhersekheper«, stammelte Khep und versuchte, sich aus den Händen des Fremden zu entwinden. Männer in Toga – ehrenwerte römische Bürger somit – konnten allerlei Unangenehmes mit kleinen Sklavenjungen anstellen, das wusste Khep nur zu genau. Und dieser Herr schien äußerst ungehalten über den Zusammenstoß zu sein.
»Wem gehörst du?«, wurde er angeherrscht.
»Manius Didius Iustus, Herr. Dem Besitzer der Fortuna-Therme.«
»Bist du alleine hier?«
In diesem Moment ließ eine Windböe die Toga aufflattern, und das Ende, das Plautus sich über den Kopf gezogen hatte, hob sich. Khep erkannte ihn sofort und Panik ergriff ihn. Ausgerechnet dem lanista musste er buchstäblich in die Arme rennen. Sein quecksilbriger Verstand fing augenblicklich an zu arbeiten. Er musste ihn von seinen Freunden ablenken. Darum stotterte er demütig weiter: »Nein, Herr. Mein Herr nahm mich mit. Er betet am Grab seiner Mutter.« Treuherzig sah Khep zu dem lanista hoch.
»Mit seinen Kindern?«
»Ja, Herr.«
»Führ mich zu ihm!« Plautus gab seinem Gefangenen einen derben Schubs, und stolpernd machte sich Khep auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung von Globulus’ Grab. Eine besonders prunkvolle Grabstätte, wie ein kleiner Tempel geformt, bot ihm die Gelegenheit. Er zog kräftig an einem Gewandzipfel, sodass es Plautus vom Kopf rutschte, und flitzte los, was seine Beine hergaben.
»Halt, du Schlingel!«, rief der lanista hinter ihm her und setzte ihm nach.
Zwischen Grabsäulen und Marmorurnen, Gedenksteinen und Statuen sauste Khep im Zickzack voran, höchst unwürdig mit wehender Robe sein Verfolger hinterher. Nun mochte die Toga die Würde eines jeden Römers auf eindrucksvolle Weise bekunden, sie stand geistreichen Rednern und rechtsprechenden Juristen, staatslenkenden Senatoren und selbst einfachen Bürgern bei offiziellen Anlässen gut an, doch die riesige, halbrund geschnittene Stoffmasse bedurfte einer komplizierten Trageweise, damit sie den eleganten Faltenwurf zeigte, in dem sich viele ruhmreiche Männer des Römischen Reiches in Marmor meißeln ließen. Heftige Bewegungen waren diesem Faltenwurf äußerst abträglich, schnelles Laufen machte es fast unmöglich.
Plautus musste sich schon nach wenigen Schritten entscheiden, ob er sich in vollkommen verrutschter Kleidung den hier und da still betenden Ängehörigen Verstorbener präsentieren wollte oder den elenden Bengel laufen ließ. Peinlicherweise erhob gerade Licinia Sura, die Schwester des Senators, den Kopf, um missbilligend zu ihm hinüberzuschauen. Verlegen zerrte er an einem schwindenden Zipfel der Toga und klemmte ihn sich unter die Achsel und enthüllte dabei zwei haarige O-Beine. Dann machte er auf der Stelle kehrt und verließ mürrisch das Gräberfeld.
Khep hatte sich hinter einem mannshohen Gedenkstein einer achtbaren Familie versteckt und sandte den verschiedenen Göttern, die er so kannte, kleine Dankgebete, während er um die Ecke linste und
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