Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
ersten Pferdeweide nach links bog, saß ein Mann. Als er die Reiter näher kommen hörte, stand er auf.
    »So schnell hatte ich nicht mit dir gerechnet«, sagte er.
    Bomilkar zügelte das Reittier. »Wieso mit mir gerechnet?«
    Der Mann trug Leibschurz und Sandalen; um den linken Oberarm hatte er ein rotes Band gewickelt: einer der Helfer des Verwalters, Sklave, aber Aufseher. Bomilkar kannte ihn vom Sehen.
    Der Mann hob die Brauen. »Wir haben doch jemanden nach dir geschickt. Bist du nicht deshalb …?«
    »Was ist geschehen?«
    Der Mann wies nach Osten; vermutlich meinte er etwas hinter den ersten Schuppen, oder noch weiter weg. »Wie neulich. Ah, wie damals; ist ja schon länger her. Wenn Leichen gefunden werden, rufen wir dich. Hat Nederbal angeordnet. «
    Laetilius sog scharf Luft durch die Zähne.
    »Über deine Sprachkenntnisse reden wir noch«, murmelte Bomilkar; dann wandte er sich an den Sklaven. »Eine Leiche? Wann, wo, wer?«

    »Am Vormittag. Zwei Stunden, drei? Dort drüben, von hier nicht zu sehen, am zweiten Ölbaumhain. Es ist Tuzut.« Er sah Bomilkar an, als ob er eine Antwort oder ein Zeichen des Erkennens erwartete.
    Bomilkar stutzte; dann fiel ihm ein, woher er den Namen kannte. »Tuzut ist doch der Mann, der den toten Römer gefunden hat, ja? Und nun ist er tot?«
    »Jemand hat ihm den Bauch geöffnet und die Gedärme um den Ast eines Ölbaumes gewickelt.«

3. KAPITEL
    H amilkars weitläufiger Palast lag am Fuß der Hügel, die nach Norden wie eine sanfte Dünung bis Kap Kamart rollten. Von den Dachterrassen der weißen, ineinander übergehenden Gebäude sah man das Meer, rechts die genutzten und bebauten Hügel, links die Äcker, Felder und Baumgruppen des flachen Geländes, das an der Seemauer vor der seichten Bucht endete. Im Haupthaus wohnte der Verwalter samt Familie und Hausdienern, in den Nebengebäuden an die hundert Arbeiter und Sklaven, die in den Gärten, Ställen, Parks und auf den Feldern beschäftigt waren.
    Ein hellhäutiger, rothaariger Mann empfing sie am Fuß der Marmortreppe vor dem zweigeschossigen weißen Haupthaus. Während ein Stallbursche die Pferde übernahm, führte der Sklave die Männer ins Gebäude, durch eine lichte Halle, die mit weichen Teppichen ausgelegt war. Laetilius schien gefesselt von den uralten, beschnitzten Truhen aus dunklem Holz, von Waffen und Wandbildern und Leuchtern; Bomilkar genoß die kühle Luft und den Schatten. Die Bilder der letzten Stunde verblaßten in seinem Hirn, als die angenehme Luft die Spuren des Gestanks tilgte. (Er dachte an die Ausdünstungen des toten Tuzut als an ein Wesen, das Fußstapfen im Geruchssinn hinterließ.)
    Der Verwalter hatte auf der Terrasse Korbsessel und einen niedrigen Tisch aufstellen lassen, im Schatten eines Schirms. Und er war nicht allein; ein zweiter Mann saß dort, trank Wasser aus einem Goldbecher und blickte durch die Eisenstreben des Geländers. Der kleine Park, in dem zwei Gazellen unter Zypressen ruhten, und die sanften Hügel mit dem Meer dahinter schienen ihn eher zu reizen als der Anblick der beiden Männer.

    Nederbal, der Verwalter, war ein Vetter zweiten Grades von Hamilkar, mit dem er keine äußere Ähnlichkeit hatte, wie Bomilkar nach den Jahren in Hamilkars Heer beurteilen konnte. Während man den großen Strategen mit einem Bären vergleichen mochte, erinnerte Nederbal eher an einen Vogel. ›Kranich‹, dachte Bomilkar; bei der letzten Begegnung war der Verwalter ihm als Geier erschienen, mit gerecktem Hals über die Leiche von Marcus Lavinius gebeugt, mit einem beinahe gierigen Schnuppern. Falls Geier schnuppern konnten.
    Nederbal stand aus dem Korbsessel auf. »Bomilkar, Herr der Stadtwächter.« Es war ebenso eine Begrüßung wie eine Vorstellung. Der zweite Mann schien sich mühsam vom Anblick der Landschaft loszureißen und wandte den Kopf. »Und du mußt der Römer sein«, sagte Nederbal auf Hellenisch. »Teitos Laitilios Moukron?«
    »Edler Herr Nederbas« – Laetilius lächelte –, »ich weiß die Höflichkeit einem Gast gegenüber zu schätzen, aber wir müssen nicht alle Namen hellenisch machen, oder?«
    Der Verwalter verzog das faltige Gesicht zu einem Grinsen, das breiter zu sein schien als der gesamte Kopf. »Wie du meinst. Der hier heißt Daniel. Was ich für dieses kleine Anwesen erledige, tut er für das große in der Byssatis. «
    »Veruntreuen?« sagte der Sitzende. »Vernachlässigen? Plündern?« Auch er sprach Hellenisch.
    »Wie gefällt dir die Leiche?« Nederbal

Weitere Kostenlose Bücher