Das Gold von Karthago
einigen Mücken, die sich um seine Leselampe gesammelt hatten. Es war eine Art Gefäß aus bleigefaßten honigfarbenen Bernsteinstücken; das Licht der ölgespeisten Flamme breitete sich gleichmäßig im Raum aus, wie eine milde, labende Strömung.
Hasdrubal wies auf die Scherensessel am niedrigen Tisch. »Setzt euch; nehmt euch Wein, Wasser, Saft. Ich muß das hier noch beenden.« Er kritzelte etwas auf eine andere Rolle, umwickelte sie mit einem roten Band, stand auf und kam zu ihnen. »Qarthalo«, sagte er; »Nederbal, Arish, Gulussa, Hiyarbal. Der alte Budun … Eine seltsame Mischung.«
»Kannst du etwas damit machen?« Bomilkar empfand eine völlig unvernünftige Hoffnung; als ob Hasdrubal der
große Zauberpriester sei und mit einem Schnipsen der Finger den verwickeltsten Knoten lösen könnte.
»Nein. Noch nicht.«
Laetilius räusperte sich. »Macht«, sagte er, »Reichtum. Diese Dinge … Ich habe einiges gelernt in Karthago, in den wenigen Tagen. Zum Beispiel, was eine Bank ist und wie sie arbeitet. Nun überlege ich, ob seltsame Geldgeschäfte hinter all der Verwirrung stecken könnten.«
Hasdrubal gähnte. »Müdigkeit, nicht Langeweile ob deiner Äußerungen. Es könnte stimmen; viele andere Anlässe zu üppigen Ränken gibt es ja nicht. Macht. Reichtum. Eines ohne das andere… Sagen wir, Macht gibt Reichtum, Reichtum gibt Macht; beide sind gleich. Aber wer verspricht sich da was wovon?«
»Die toten Kaninchen«, sagte Bomilkar. »Ist das ein Hinweis auf Iberien, oder ist es nur eine Ablenkung?«
»Es kann beides sein. Kaninchen… Sie kommen von hier, sind aber nicht mehr so selten.« Hasdrubal nahm einen Schluck aus dem Becher. »Vielleicht wollte dir nur jemand bedeuten, daß die Sache ernst und blutig ist. Die Leiche eines Tiers, nach der von Lavinius; nicht zu vergessen die von Tuzut. Es hätte auch ein toter Hund sein können, oder eine zerstückelte Schlange.«
»Ein ertrunkener Fisch? Ein in der Luft verhungerter Vogel? « Laetilius beugte sich vor und goß die drei Becher wieder voll. »Viel weiter kommen wir damit nicht.«
Hasdrubal setzte eine Miene auf, die so etwas wie höfliches Bedauern ausdrücken sollte. »Und die beiden Frauen? Ich fürchte, ich bin da nicht sehr zuversichtlich.«
»Es blieb uns nichts anderes übrig, als auf die Bedingungen einzugehen; alles andere wäre der sichere Tod gewesen, für mehrere Menschen.« Bomilkar spürte eine gewisse Anspannung und Unruhe bei Hasdrubal; er sagte sich, daß der Mann, der Iberien und das nördliche Libyen von hier aus zu verwalten hatte, zweifellos bessere Dinge zu tun habe, als sich mit einem kleinen Untergebenen
und dessen römischem Mitarbeiter zu unterhalten.
Laetilius mußte ähnliches empfinden; er leerte seinen Becher, beugte sich vor und sagte: »Herr, wir danken dir für die Zeit, die du uns geopfert hast. Laß mich nur noch eine Frage stellen. Lavinius war in Iberien; hast du ihn gesehen? «
»Nur flüchtig. Er kam mit einem Schreiben von Hamilkar, ich habe ihm einen kundigen Begleiter zugeteilt. Ihr solltet euch, glaube ich, mit Hamilkar unterhalten.«
»Was stand in dem Schreiben?«
»Lavinius sei fast eine Art Freund, soweit sich das von Römern sagen läßt.« Hasdrubal grinste leicht.
»In vierundzwanzig Tagen müssen wir in Igilgili sein«, sagte Bomilkar. »Haben wir genug Zeit, um Hamilkar aufzusuchen? «
»Ich glaube schon. Er ist vier Tagesritte entfernt, bei Kastulo. « Hasdrubal gähnte abermals und stand auf. »Ich muß schlafen, und ich fürchte, mit dem, was ich zur Zeit weiß, kann ich euch nicht helfen. Und ehe ihr fragt: Lavinius war nicht hier, sondern in Ispali; was er dort gemacht hat, weiß ich nicht, ihr könnt aber morgen mit dem Mann sprechen, der ihn damals geführt hat.«
Er hieß Tolmides; eine lange Narbe entstellte seine linke Wange, lief hinab zum Schlüsselbein, wo sie eine verfärbte Pfütze bildete, und sickerte von dort unter das schmierige Brustgewand.
»Eigentlich trage ich saubere Kleider«, sagte er, »aber heute früh mußten ein paar halbe Rinder geschleppt werden. «
Er stammte aus Smyrna und hatte im Krieg unter Hamilkar gekämpft. Die Verwundung, in einem der letzten Gefechte am Berg Eryx auf Sizilien erlitten, hatte ihn davor bewahrt, mit den anderen Söldnern Krieg gegen die Stadt zu führen, als die Ratsherren ihnen den ausstehenden Sold
verweigerten. Inzwischen war er zu alt für Kämpfe und Märsche, arbeitete in der Versorgung und schob die Heimkehr nach Asien
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