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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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»Das Gift war plötzlich verschwunden, und die Anweisung ›Sprich du mit ihm‹ klang irgendwie … bedrohlich.«
    »Das Gift ist in einer Tasche meines Gewands.« Mit den Augen deutete sie zum Schemel, neben dem ihre Sachen lagen. »Willst du jetzt Ahnenforschung betreiben? Der da will etwas anderes.« Sie streckte die Hand aus.
    »Ein Griff, und ich bin wehrlos.« Bomilkar hielt ihr Handgelenk fest und setzte sich; kniend kam er sich allzu angreifbar vor.
    »Mißtrauisch? Falls ich Mißtrauen errege – mich erregt Mißtrauen.« Sie zog den linken Oberschenkel hoch. »Siehst du?« murmelte sie. »Dies ist mein einziges Gift.«
    Bomilkar schloß einen Atemzug lang die Augen. Ihm war beinahe schwindlig vor Gier; er sagte sich, daß dies zweifellos das denkwürdigste Spiel seines Lebens war. Vielleicht auch um sein Leben. Während seine rechte Hand wie selbständig zwischen ihre Schenkel wanderte, sagte er:
    »Als du gezeugt wurdest, war er – wo? Am Berg Eryx? Jedenfalls auf Sizilien.«
    »Wo es iberische Söldner gab. Mit Anhang, teilweise. Ah.«
    »Und da bist du geboren?«
    »Hm.« Sie tastete nach seinem Glied, das bersten wollte. »Lavinius hatte einen Stock.«
    »Einen was ? Wo? Festgewachsen?«
    Sie lachte. »Zur Münzprägung. Beide Seiten, Hohlformen. Geschenk von Hamilkar – wollte er haben, weil der Melqart, den sie auf ihren neuen Münzen haben, Hamilkar ähnelt. Weißt du, was damit geschehen ist?«

    »War nicht bei den, uhhhh, den Sachen, die man bei ihm gefunden hat.«
    »Unwichtig.« Sie richtete sich halb auf, stützte sich auf den rechten Ellenbogen. »Der Prägestock hatte einen Fehler, deswegen war er nicht zu gebrauchen. Anders als der hier.«
    »Woher weißt du das?«
    » Das sehe und spüre ich.« Ihr Mund folgte der Hand. »Und schmecke«, sagte sie dann undeutlich. »Qaraqa hat ihn … abgelenkt, und ich habe seine Sachen durchsucht. Bevor wir wußten, daß er Hamilkars Freund ist. War. Entspann dich. Nicht ganz; ein bißchen Spannung …«
    »Bin ich also vertrauenswürdig?«
    »Ja. Hör auf zu reden; tu was.«
    »Laß mich dein Gift kosten.« Er streckte sich aus.
    Sie richtete sich auf. Eine Bewegung zur Seite, und plötzlich spürte er etwas Kaltes an seinem Gemächt.
    »Du solltest das Messer nicht so gut greifbar liegen lassen. Bei einer anderen …« Sie kicherte, bewegte die Klinge; es war wie eine seltsame Liebkosung. »Keine Sorge; es wäre schade darum. Und ich müßte saubermachen.« Sie ließ das Messer auf den Boden fallen.
    Mühsam sagte er: »Warum ist im Leben alles so verwickelt? «
     
    »Es ist alles sehr einfach.« Hamilkar lehnte sich an die Kante des mit Rollen und Schreibzeug übertürmten Tischs. »Jedenfalls kann man es so sehen. Lavinius ist als freier Händler durch Iberien gereist, hat Städte, Dörfer und Stämme besucht und schließlich gefunden, daß ihm das Land gefällt. Dann kam er her, zu mir – zu uns, Hasdrubal hat ihn auch kurz gesehen –, um über Zölle und Waren zu sprechen.«
    »Welche Zölle erhebt ihr?« sagte Laetilius. »Und: Gibt es keine Beschränkungen für fremde Händler?«

    Hamilkar knurrte; es war ein Grollen tief in der mächtigen Kehle. »Das fragt doch bitte meine Mitarbeiter; ich habe nicht so viel Zeit. Müßt ihr noch mehr über Lavinius wissen?«
    »Es heißt, er sei dein Freund gewesen.«
    »Er fand die Arbeit, die wir hier leisten, beeindruckend und hat sie mit einer gewissen Zuneigung verfolgt.«
    Laetilius stellte noch einige Fragen; Bomilkar hielt sich zurück und betrachtete den Strategen, den er zuletzt vor fast drei Jahren gesehen hatte. Er konnte keine auffälligen Veränderungen feststellen. Hamilkar Barkas, der Gott der Krieger: Haar und Bart eisgrau, wie es einem Fünfzigjährigen zustand, das Gesicht gefurcht, aber nicht durch Furchen unkenntlich, und unter dem kaum knielangen kitun ohne Ärmel waren die gewaltigen Muskeln zu sehen, die den fast sechs Fuß großen Mann zu einem furchtbaren Gegner im Zweikampf machten. Wie so viele Römer und Iberer erfahren hatten. Die dunklen Augen, vom Gestrüpp der Brauen überschattet, verrieten nichts – allenfalls ein wenig Ungeduld. Der Stratege von Libyen und Iberien hatte viel zu tun und weder die Zeit noch gar die Lust, sich mit unwichtigen Gestalten abzugeben. Wichtig war allein die Sache, der Mord: ein toter Römer auf Hamilkars Landgut. Aber auch der Stratege schien ratlos, ohne Vorstellungen von dem, was im fernen Qart Hadasht ablaufen mochte und welchem Zweck

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