Das Gold von Karthago
von vier iberischen Fußkämpfern bewachte Tor der Festung beinahe erreicht. Laetilius blieb stehen und sah ihn von der Seite an.
»Seht ihr das anders?«
»Wir haben seit Jahrhunderten mit Hellenen und Persern und Makedonen und Ägyptern gelebt, gehandelt, gestritten, ohne sie völlig vernichten zu wollen. Deshalb sehen wir das anders.«
»In diesem Teil der Welt ist kein Platz für eine andere Macht, neben Rom.«
»Die Welt ist groß genug für viele.«
Laetilius hob die Schultern. »Und jetzt? Willst du mich fesseln lassen, da drin?« Er reckte das Kinn zur Festung.
»Ein Messer in der Nacht? Iberische Speere im Morgengrauen? «
Bomilkar seufzte. »Du wirst, was mich angeht, Rom unversehrt erreichen; der Rat von Qart Hadasht will keinen Ärger. Mir wäre nur ein wenig leichter im Herzen, wenn ich nicht unausgesetzt auf meinen Rücken und dein Schwert achten müßte.«
Laetilius schien zu zögern; plötzlich lachte er. »Ach, was soll’s? Dein Rücken bleibt heil, von mir aus jedenfalls. Du warst ein angenehmer Reisegefährte – für einen Karthager. «
»Wie sollte ich mich darauf verlassen?«
Laetilius war nun ganz ernst. »Soll ich schwören? Bei deinen Göttern, an die du nicht glaubst? Bei meinen?«
»Bei einer Gottheit, die wir heute beide gespürt haben.« Er war nicht sicher, aber es kam ihm so vor, als sei Laetilius ein wenig zusammengezuckt.
Dann nickte der Römer. »So sei es.« Er ballte die rechte Hand zur Faust und legte sie auf die Brust.
Igilgili lag an der großen Küstenstraße, die Qart Hadasht mit der fernen Meerenge bei den Säulen des Melqart verband; außerdem begannen oder endeten hier weitere Handelswege nach Südosten und Südwesten ins Innere. Mit dem Hafen machte all dies die Stadt zu einem wichtigen Stützpunkt und zum Markt für das gesamte Hinterland. Die Festung bildete den östlichen Teil; südlich und südwestlich des Hafens lagen wie ein Spielbrett die Straßen, Wohnblocks und Plätze des Orts, der an die zehntausend Bewohner hatte. Neben Puniern und Libyphönikiern, die aus Städten wie Ityke und Hipu hergewandert waren, lebten hier Numider der beiden großen Völker (Massyler und Masaesyler), Garamanten, Abkömmlinge libyscher Bauern, einige Hellenen – zumeist Händler und Handwerker, die es nach dem Römischen Krieg vorgezogen hatten, an der Küste des punischen Libyen Hellenen zu bleiben, statt
unter römischer Herrschaft Lateinisch zu sprechen und lateinische Gepflogenheiten anzunehmen.
Das Gesamtbild war bunt, aber nicht besonders aufregend; vielleicht hing Bomilkars mangelnde Begeisterung aber auch mit seiner Laune zusammen, die getrübt war von all den Fragen und Halbantworten, den Ungewißheiten und Unwägbarkeiten der nächsten Tage. Hannibals Truppe war früh aufgebrochen, ohne daß Bomilkar es bemerkt hätte – er schlief, offenbar erschöpfter, als er selbst gewußt hatte. Ohne sich um Laetilius zu kümmern, der seinerseits Abstand hielt, wanderte er in den Ort, sah sich um, bemerkte die von hohen Bäumen angenehm beschatteten Plätze, die bunten Gewänder, die vielen verschiedenen Marktbesucher und fragte sich, wer wohl den kleinen Löwen kaufen sollte, der in einem Käfig feilgeboten wurde. Mit ein paar Früchten setzte er sich in den Schatten eines Vordachs, aß und lauschte den Gesprächen ringsum. Die gewöhnlichen Dinge – zuviel Arbeit, nicht genug Geld, seltsame Geschäfte der Reichen, und Khubuts Frau…
Später aß er ausgiebig zu Mittag in einer Schänke, die oberhalb des Strands lag, nicht weit südlich vom Hafen. Es gab frisches Bier, Fisch, Lamm, Linsen, gut gewürzt und von allem so viel, daß es zu einem langen Dösen unter Palmen reichte. Als er am mittleren Nachmittag in die Festung zurückkam, war Laetilius nicht zu sehen. Bomilkar sprach mit einigen der hier seit vielen Monden liegenden Iberer, hörte sich Heimwehgeschichten an, versicherte den Männern, daß zu Hause alles zum besten stehe; dann trieb eine unerklärliche Unruhe ihn abermals in den Ort.
Noch war der Markttag nicht beendet, aber das Treiben hatte merklich nachgelassen. In einem Hauseingang fand er einen alten Geldwechsler, der ihm den Weg zum örtlichen Vertreter der Sandbank wies.
Der Mann, ein gallischer Hellene aus der Nähe von Massalia, empfing ihn ohne Begeisterung, aber auch ohne Überraschung. »Bomilkar, sagst du?« Er musterte ihn. »Die
Beschreibung könnte stimmen, aber so auffällig siehst du nicht aus – wahrscheinlich stimmt deine
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