Das Gold von Sparta
hier eine Tunnelöffnung«, erwiderte sie. »Sie führt horizontal in die Felswand hinein, aber ich kann nicht erkennen, wie weit …«
»Bei einem Sturm ist jeder Hafen eine Zuflucht. Kletter einfach rein.«
»Recht hast du.«
Das Blubbern des Bootsmotors befand sich jetzt genau unter ihnen und wanderte über das Wasser. Sam blickte nach unten. Während das Boot selbst im Nebel unsichtbar blieb, konnte er erkennen, wie sich der Dunst – wie Rauch vor einem Objekt in einem Windkanal – vor ihm teilte. Der Scheinwerfer flammte auf und wanderte im Zickzackkurs an der Klippenwand aufwärts.
»Ich bin drin«, flüsterte Remi.
Während sein Blick zwischen den Sprossen über ihm und dem schnell näher kommenden Lichtkreis unter ihm hin und her sprang, kletterte Sam das letzte Stück aufwärts und spürte plötzlich Remis Hand auf seinem Arm. Er zog die Beine an und stieß sich ab, während er gleichzeitig mit den Armen zog. Er rollte sich in den Tunnel und schwang auch die Beine hinein, während der Lichtfleck für einen Augenblick auf der Tunnelöffnung verharrte und sich dann weitertastete.
Zusammengedrängt lagen sie in der Dunkelheit. Sam hatte Mühe, seinen Atem zu beruhigen, während sie verfolgen konnten, wie das Boot seine Fahrt unter der Felsenbrücke hindurch fortsetzte und schon wenig später gar nicht mehr zu hören war.
»Ist das hier auch die richtige Adresse?«, fragte Sam, stützte sich auf die Ellbogen und sah sich prüfend um. Der Tunnel hatte ein ovales Profil und war etwa einen Meter siebzig hoch und zwei Meter breit.
»Das würde ich doch meinen«, sagte Remi und deutete nach oben.
An der Decke des Tunneleingangs war eine Konstruktion aus kreuz und quer verlaufenden, dicken, mit Teer bedeckten Eichenbalken befestigt. Außerdem ruhte das Gitter auf senkrechten Balken, die in den Seitenwänden verankert waren. In der Mitte der Gitterkonstruktion hing ein verrosteter Flaschenzug herab und war durch ein kräftiges Seil mit einer Handwinde verbunden, die an einem der senkrechten Balken angeschraubt war. Ein Schmalspurgleis, das auf Holzschwellen und einem Geröllbrett ruhte, verlor sich in der Dunkelheit.
»Nun, die Winde wird nicht von Anfang an dort gewesen sein, das ist sicher«, sagte er. »Es sei denn, natürlich, die Technologie der Saporischschja-Kosaken war ihrer Zeit weit voraus. Sieh mal, hier … diese Bolzen sind auf jeden Fall maschinell bearbeitet worden. Das geht vielleicht bis zum Krimkrieg zurück, aber ich tippe eher auf den Zweiten Weltkrieg. Sieh dir nur die gegehrten Verbindungen an … dieses Ding konnte Lasten von einigen tausend Pfund heben.« Er trat in die Tunnelöffnung und warf einen Blick über die Kante. »Genial. Schau mal, wo sie die Vorrichtung platziert haben, genau über dieser Wölbung in der Felswand. Sogar bei Tag wäre der Tunnel von See aus nicht zu erkennen gewesen.«
»Das sehe ich.«
»Donnerwetter, schau doch mal …«
»Sam.«
»Was ist?«
»Ich bremse deine Fantasie nur ungern, aber wir müssen eine Flasche Wein stehlen.«
»Ah ja, tut mir leid. Gehen wir.«
Nachdem sie mit Hilfe von Google Earth ihr eigenes Luftbild von Bondaruks Besitz komplett mit Entfernungsangaben und Anmerkungen aus Bohuslaws Notizen angefertigt hatten, wussten sie zumindest andeutungsweise, wohin ihre Schritte sie führten, als sie in den Tunnel vordrangen.
Im Licht ihrer Lampen konnte Sam an den Tunnelwänden Spuren von vereinzelten Sprengarbeiten sehen. Doch es schien ihm, als wäre der Tunnel größtenteils auf althergebrachte Art und Weise geschaffen worden, nämlich mit Hammer, Meißel und schweißtreibendem körperlichem Einsatz.
Hier und da standen und lagen hölzerne Werkzeugkisten, halb vermoderte Seilrollen, verrostete Spitzhacken und Vorschlaghämmer, ein Paar verrotteter Lederstiefel, Leinenoveralls, die teilweise zerfielen, als Remi mit der Schuhspitze dagegenstieß … Rechts und links an den Wänden hatte man im Abstand von jeweils drei Metern Öllampen angebracht. Ihre Glaskörper waren schwarz von Ruß, die bronzenen Öltanks und Handgriffe mit fleckigem Grünspan überzogen. Sam tippte mit dem Zeigefinger gegen eine der Lampen und hörte ein leises Schwappen.
Nach etwa fünfzig Metern blieb Remi stehen, studierte eingehend den Lageplan und sagte: »Wir müssten uns jetzt direkt unter der äußeren Mauer befinden. Noch ungefähr hundert Meter, dann stehen wir unter dem Hauptgebäude.«
Sie hatte sich nur um wenige Meter verschätzt. Nach weiteren
Weitere Kostenlose Bücher