Das Gold von Sparta
Bedingung.«
»Und die wäre?«, fragte Sam.
»Dass Sie beide zum Abendessen bleiben.«
Remi lächelte. »Aber liebend gerne.«
»Wunderbar! Also, wenn Sie nach Elba kommen, gehen Sie in Rio Marina an Land. Von dort fahren Sie auf der SP26 nach Westen in die Berge …«
23
Elba
Er ließ den Käfer an seinem Finger hinaufkrabbeln und weiter über seinen Handrücken, bevor er ihn mit einem anderen Finger in seine Handfläche schnippte. Sam kam neben der Landstraße aus der Hocke hoch und wandte sich zu Remi um, die gerade einige Fotos vom Meer unter ihnen schoss.
»Geschichte ist schon etwas Spaßiges«, sagte er.
»Warum?«
»Nimm diesen Käfer zum Beispiel. Er könnte doch durchaus mit einem anderen Käfer verwandt sein, den Napoleon benutzt hat, um Tinte herzustellen.«
»Hat er dich angespuckt?«
»Soweit ich feststellen kann, nein.«
»Selma sagte, die Tinte käme von einem Speikäfer.«
»Du begreifst nicht, was ich meine. Wo bleibt dein Sinn für seltsame Zusammenhänge?«
Remi ließ die Kamera sinken und sah ihn nur wortlos an.
»Tut mir leid«, bemerkte er eilig und lächelte. »Ich habe völlig vergessen, mit wem ich rede.«
»Offensichtlich. Ich verstehe nämlich durchaus, was du meinst.« Sie sah auf die Uhr und sagte dann: »Wir sollten uns ein wenig beeilen. Es ist schon fast drei Uhr. Hier wird es schnell dunkel.«
Ihr Dinner mit Yvette Fournier-Desmarais am Vorabend, das sich bis tief in die Nacht hingezogen hatte, war mit drei geleerten Flaschen Wein eine ziemlich feuchte Angelegenheit geworden, weshalb ihre Gastgeberin sie auch überredet hatte, ihre Hotelreservierung rückgängig zu machen und dafür in ihrem Haus zu übernachten. Am nächsten Morgen nahmen sie auf der Veranda ein Frühstück aus Kaffee, Croissants, frischer Ananas und französischem Rührei mit Lauch, frisch gestoßenem Pfeffer und Minze ein, ehe sie zum Flughafen fuhren.
Aus Gründen, die weder für Sam noch Remi einsichtig waren, beschränkten sich die täglichen Flüge nach und von Elba auf eine einzige Fluglinie, InterSky, die mit Friedrichshafen, München und Zürich nur drei Städte bediente. Die anderen beiden Linien, SkyWork und Elbafly, boten zwar mehr Abflugsorte an, verkehrten aber nur an drei Tagen der Woche, daher nahmen Sam und Remi von Nizza eine Maschine der Air France nach Florenz, danach einen Eisenbahnzug nach Piombino und schließlich eine Fähre für die fünfzehn Kilometer offenen Meeres nach Rio Marina an der Ostküste Elbas.
Ihr Mietwagen – ein kompakter 1991er Lancia Delta – fiel gegenüber dem Porsche Cayenne zwar deutlich ab, aber die Klimaanlage funktionierte, und der Motor, so klein und schwach er auch war, machte einen zuverlässigen Eindruck.
Indem sie Yvettes Wegbeschreibung folgten, waren sie von Rio Marina aus landeinwärts gefahren und hatten dabei ein verschlafenes toskanisches Dorf nach dem anderen passiert – Togliatti, Sivera, San Lorenzo. Auf der gewundenen Straße ging es weiter: zwischen grünen Hügeln und Weingärten, und dann höher und höher hinauf in die Berge, bis sie auf diesem Felsvorsprung mit Blick auf die östliche Seite der Insel anhielten.
Hätte Napoleon nicht sein Exil auf der Insel verbracht, wäre Elba sicherlich niemals so berühmt geworden, was, wenn man Sam und Remi fragen würde, ein Jammer gewesen wäre, denn die Insel hatte ihre ganz eigene einzigartige Geschichte.
Während ihrer langen Existenz hatte sich Elba immer wieder mit Invasoren und Eroberern von den Etruskern über die Römer bis hin zu den Sarazenen auseinandersetzen müssen, und zwar bis zum elften Jahrhundert, als sie unter die Schirmherrschaft der Republik Pisa geriet. Von da an wechselte die Insel ein halbes Dutzend Mal durch Verkauf oder Annektierung den Besitzer, angefangen mit den Visconti von Mailand und 1860 endend, als Elba dem Vereinten Königreich Italien zugeschlagen wurde.
Remi schoss noch einige weitere Bilder, ehe sie wieder in den Wagen einstiegen und die Fahrt fortsetzten.
»Wo genau hat Napoleon sein Exil verbracht?«, wollte Sam wissen.
Remi blätterte in ihrem mit Post-it-Streifen markierten Frommer’s -Reiseführer. »In Portoferraio an der Nordküste. Er hatte zwei Häuser, die Villa San Martino und die Villa dei Mulini. Er befehligte eine kleine Armee von sechshundert bis eintausend Soldaten und schmückte sich mit dem Titel Kaiser von Elba.«
»Gab er sich selbst diesen Titel, oder wurde er ihm aufgezwungen, um ihn zu verspotten?«, fragte Sam.
Weitere Kostenlose Bücher