Das goldene Meer
ändert sich aber gewaltig, wenn wir in grobe See kommen. Die Liberty ist nicht mehr die Jüngste, sie frißt das Öl. Ein richtiger Altersfraß!«
»Die Wettermeldungen sind böse. In spätestens drei Tagen haben wir die Ausläufer des Taifuns ›Susi‹ hier. Das reicht schon. Haben Sie schon mal Windstärke zehn erlebt?«
»Nein«, sagte Anneliese, »aber ich kann es mir vorstellen.«
»Das können Sie eben nicht. Bei zehn tanzt dieser Kahn einen Boogie. Ohne Ladung ist er wie eine Feder auf den Wellen. Sie werden alle in Ihren Kojen liegen und sich festklammern. Chief, Sie kennen das bestimmt.«
»Und wie.« Kranzenberger wischte sich über die Augen. Er war empfindlich, selbst Larssons herrliche Tabakmischung brannte ihm in den Augen. »Man hat den ehrlichen Wunsch zu sterben. Der Magen hängt einem am Gaumen. Ihr solltet alle schon jetzt anfangen und eure Seekrankheitspillen schlucken.«
»Können wir in drei Tagen nahe der Küste sein, Käpt'n?«
»Gar kein Problem.« Larsson sah zu Büchler hinüber. »Wie weit sind wir jetzt vom Mekong entfernt, Büchler?«
»189 Seemeilen, Herr Kapitän.«
»Na also. Aber was wollen Sie bei Windstärke zehn so nahe an der Küste? Dem Sturm ausweichen? Lieber Doktor, gerade in Küstennähe ist er gefährlicher als hier.« Larsson klopfte seine Pfeife in dem großen Keramikaschenbecher aus und stand auf. »Es war ein schöner Abend, gute Nacht.«
Sie warteten, bis Larsson den Raum verlassen hatte, und sahen sich dann fragend an.
»Meint er das nun wirklich oder war's Ironie?« Dr. Herbergh schüttelte den Kopf. »Man wird nicht warm mit dem Kerl. Was wird wohl Svenholm funken?«
»Seine Zustimmung.« Chief Kranzenberger steckte sich eine neue Zigarette an. Seine Laune war mies, sein seelisches Gleichgewicht gestört. Die Eifersucht, mit der er Herbert verfolgte, zehrte an seinen Nerven. »Das Schiff ist gut versichert, das sagt Larsson nicht. Wenn wir absaufen, torpediert werden, wenn uns Truc beschießt oder rammt oder entert – Svenholm kann nur dabei verdienen. Er ist seinen alten Kahn los, kassiert die Prämie und hat nicht mehr die Unkosten am Hals, die fällig werden, wenn wir die Liberty wieder in Monrovia abliefern. Auch Verschrotten kostet Geld, und das spart er dann.«
»Das hört sich logisch an.« Anneliese blickte auf ihre Armbanduhr. Dann ging ihr Blick zum Telefon.
»Warten Sie auf etwas, Anneliese?« fragte Dr. Herbergh.
»Ja. Auf den Anruf von Kätzchen.«
»Warum soll sie anrufen?«
»Es sind jetzt fast zwei Stunden nach dem Essen um. Jetzt müßte Thuy längst mit seinen Wahnsinnsschmerzen nach Ut schreien. Ich will dabei sein, wenn sie ihn behandelt.«
»Thuy, unser Magenkrebs.« Dr. Herbergh schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Den hatte ich fast vergessen. Sie haben recht, Anneliese. Xuong muß ihn längst im Hospital abgeliefert haben.«
»Stimmt es, daß Ut mit Streicheln die Schmerzen wegnehmen kann?« fragte Chief Kranzenberger und zog an seiner Zigarette.
»Ja, es stimmt, Chief.«
»Sie haben sich davon überzeugt?«
»Sie kennen doch die Videoaufzeichnungen. Da ist kein Trick zu sehen. Ich habe mich überzeugen lassen müssen.«
»Ich gehe hinüber zu Julia.« Anneliese erhob sich und drückte ihre Zigarette aus. »Hugo, tun Sie mir einen Gefallen?«
»Jeden!« Büchler lachte Anneliese jungenhaft an. Dr. Herbergh fand das dumm, dreist und unmöglich. »Verfügen Sie über mich.«
»Bringen Sie bitte Ut von meiner Kabine ins Hospital. Sie wird schon auf Thuy warten. Kommen Sie mit, Fred?«
Dr. Herbergh schüttelte den Kopf. »Ich habe noch einen Bericht für das Komitee zu schreiben«, log er. »Sehen wir uns später?«
»Wenn Sie wollen. Bei Ihnen?«
»Angenommen. Ich stelle eine Flasche Wein kalt.«
Büchler und Anneliese verließen den Raum, und Kranzenberger, nun allein mit Dr. Herbergh, wartete, bis sie weit genug entfernt sein mußten. Dann sagte er plötzlich: »Mich geht's nichts an, Fred, aber warum sagen Sie ihr es nicht?«
»Was?« Herbergh tat sehr verblüfft. In Wahrheit wünschte er, Kranzenberger den Mund zuhalten zu können.
»Daß Sie sie lieben.«
»Julius, das ist doch Unsinn! Wie kommen Sie auf eine solch absurde Idee?!«
»Ich bin zwar – warum soll ich es leugnen – vom anderen Ufer, aber ich kann gut hinübersehen.«
»Was haben Sie gesehen?«
»Ihr Gesicht, wenn Wilhelm seinen Charme abschießt und Anneliese damit bombardiert.«
»Dr. Starke steht gar nicht zur Diskussion,
Weitere Kostenlose Bücher