Das goldene Meer
und zog das Kinn an, als Stellinger einen Schritt auf ihn zukam. »Überleg dir's! Das ist beste vietnamesische Pisse.«
»Wo ist Dr. Herbergh?«
»Besuch ihn im OP. Du fliegst sofort raus! Du bist nicht steril.«
»Wir sprechen uns noch, Johann!«
Stellinger ging hinüber zum OP, über dessen Tür bereits die rote Warnlampe brannte. Beim Umbau des Schiffes hatte Herbergh auch daran gedacht. Ein billiger Luxus, der ihm Freude machte. »Er macht aus der Liberty noch eine Uni-Klinik!« hatte Hörlein gestöhnt, aber dann doch die Anschaffung genehmigt.
Stellinger klopfte an die Tür und trat ein. Verwundert zeigte Dr. Herbergh nach oben.
»Da brennt ein rotes Licht, Franz!«
»Ich weiß, Herr Doktor.« Stellinger sah verlegen zu Anneliese und Julia hinüber, die gerade ihre eingeseiften Arme unter dem Wasserhahn drehten. Es roch stark nach einem Desinfektionsmittel. »Aber es ist wichtig. Sehr wichtig.«
»Gerade jetzt?«
»Kann ich Sie allein sprechen?«
»Nein. Ich bin schon steril. Bleiben Sie an der Tür stehen, Franz. Was ist denn so ungeheuer wichtig?«
Wieder warf Stellinger einen verzweifelten Blick auf Anneliese und Julia. Dann holte er tief Atem.
»Ich, ich werde Mai heiraten.«
»Wer ist Mai?«
»Kim Thu Mai, das Mädchen von der Küche.«
»Und da platzen Sie in den OP hinein?! Franz, was geht das mich an? Das ist Ihre Entscheidung und Ihr Leben. Wenn Sie meinen, mit Mai glücklich zu werden …«
»Darum geht es nicht, Herr Doktor.«
»Worum denn?«
»Ich möchte fragen, ob Mai bei mir bleiben kann. In der Kabine. Ab sofort.«
»Überlegen Sie mal, was Sie da sagen, Franz!« Dr. Herbergh schüttelte den Kopf. »Welchen Eindruck macht das? Der Oberbootsmann nimmt sich eine Vietnamesin in die Kabine. Das untergräbt Ihre ganze Autorität. Das fällt auf uns alle zurück. Herr Hörlein wird sich die Haare raufen, und das mit Recht. Nur ein Wink an die Presse, und schon sind die Schlagzeilen da. ›Lustiges Leben auf der Liberty.‹ ›Die Retter bedienen sich bei den hübschen Mädchen.‹ ›Sexspiele an Bord.‹ Daraus kann ein Skandal werden.«
»Mai hat Angst, zurückzugehen zu den anderen unter Deck. Sie wird bedroht. Von dem jungen Vietnamesen, dem mit den Messerstichen.«
»Auch das noch! Franz, haben wir nicht genug Rummel an Bord? Ut fühlt sich bedroht, Dr. Starke wird niedergeschlagen, Sie haben permanenten Krach mit Kapitän Larsson, mit Truc steht uns eine Konfrontation bevor, wenn wir näher an die Küste kommen … lieber Himmel, reicht das nicht?«
»Ich habe Angst um Mai, Herr Doktor. Sie … sie ist meine Frau. Seit heute Nacht.«
Stellinger senkte den Kopf. Er schämte sich, das vor Anneliese und vor allem vor Julia zu offenbaren. Aber er sah keine andere Möglichkeit, Dr. Herbergh zu überzeugen.
»Behalten Sie Mai in Ihrer Kabine, Franz«, sagte Anneliese plötzlich. Ihr Lächeln gab Stellinger Hoffnung, daß Dr. Herbergh jetzt nicht mehr dagegen stimmen würde. »Es ist nicht nur eine Laune von Ihnen?«
»Ich liebe Mai wirklich, Frau Doktor.« Stellinger mußte seine Verlegenheit hinunterschlucken. »Ich will sie in Deutschland heiraten.«
»Wenn Deutschland sie aufnimmt. Das ist noch lange nicht sicher. Sie kann auch nach Frankreich oder Kanada kommen. Was Deutschland bisher an Aufnahmegarantien gegeben hat, ist katastrophal, beschämend für einen Staat, der immer von ›Humanität‹ redet.«
»Dann heiraten wir in Manila oder Singapur, wo's möglich ist. Dann ist Mai meine Frau, wenn wir in Hamburg landen, und keiner kann sie ausweisen.« Stellinger holte tief Atem. »Darf Mai bei mir bleiben?«
»Ja!« sagte Anneliese. »Und nun denken Sie daran, daß über Ihnen das rote Licht brennt.«
Stellinger nickte. »Danke, Frau Doktor«, sagte er leise.
Er drehte sich um und verließ schnell den OP. Niemand sollte sehen, daß seine Augen feucht geworden waren.
»Ich weiß nicht, ob das richtig war«, sagte Herbergh, als Julia hinausgegangen war, um Pitz mit dem Furunkelkranken zu holen. »Warum hast du diese Entscheidung getroffen?«
»Weil sie gut war, Fred.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher.« Sie lächelte ihn an, was ihn unsicher machte. »Bleibe ich jetzt nicht auch in deiner Kabine?«
»Das ist doch etwas ganz anderes.«
»Wieso denn? Wir sind ein Liebespaar, und Stellinger und Mai sind auch ein Liebespaar. Gleiches Recht für alle. Stellinger wird Mai heiraten, das ist sicher. Bei uns ist es durchaus nicht so.«
Dr. Herbergh spreizte die Hände,
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