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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kroll bereit, das Schlauchboot zu Wasser zu lassen. Julia und Pitz bereiteten alles für die Notaufnahme vor. Büchler hatte darauf verzichtet, die Alarmsirene aufheulen zu lassen. Hung und Xuong standen neben dem Küchenbau an der Bordwand und warteten.
    »Das ist doch Wahnsinn«, sagte Dr. Herbergh leise. »Das begreift man einfach nicht.«
    Vor ihnen schaukelte, getrieben von einem winzigen Außenbordmotor, ein Kahn. Dicht gedrängt saßen die Menschen darin, Kopf an Kopf, apathisch, salzverkrustet, von der Sonne ausgelaugt. Nur einer winkte schwach zu ihnen herüber. Er stand am Bug, umklammerte einen in der Mitte durchgebrochenen, dünnen Mast und hielt sich mühsam an ihm fest.
    Die Liberty stoppte. Stellinger und Kroll ließen das Schlauchboot hinab, die Lotsenleiter klapperte an der Bordwand ins Meer.
    Es dauerte nur wenige Minuten, bis Stellinger das winzige Holzboot an die Leiter gezogen hatte und es dort festmachte. Aber niemand machte Anstalten, an Bord zu klettern.
    »Die Rettungssäcke!« schrie Stellinger durch das mitgenommene Megaphon nach oben. »Alle, die abkömmlich sind, runter zu mir. Werft uns zwei Rucksäcke zu.«
    Dr. Starke, Pitz, v. Starkenburg rannten über Deck zur Reling. Aus der Küche stürzte Hans-Peter Winter, vom Funkraum sauste Buchs die Treppe hinunter. Auch Xuong stand bereits neben der Lotsenleiter. Aus einer wasserdichten Kiste riß Starkenburg die Rettungssäcke, in denen man die Gehunfähigen auf dem Rücken an Bord trug.
    Einer nach dem anderen kletterte hinunter zu dem kleinen Boot und kam dann die Leiter hoch an Deck, auf dem Rücken einen kraftlosen Geretteten. Zerlumpt, mit vom Salzwasser geröteten Augen, in dünnen schwarzen Hosen und Hemden, mit vergreisten Gesichtern, neun Kinder. Anneliese drückte sich an Herbergh und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust. Ihr Körper wurde von einem Schluchzen geschüttelt.
    Neun kleine, gerippeähnliche Kinder und jedes trug um den dünnen, faltigen Hals einen Rosenkranz. Im Laufschritt wurden sie ins Hospital gebracht. Dr. Herbergh legte den Arm um Anneliese und verließ mit ihr eiligst die Nock.
    Stellinger brachte eine Frau herauf, die Mutter der neun Kinder. Kroll schleppte einen Mann an Deck, den Vater. Als letzter, noch mit eigner Kraft die Leiter hinaufkletternd, aber von unten durch Starkenburg abgestützt, erreichte ein jüngerer Mann das Deck und brach dort zusammen. Auf dem Rücken liegend, nach Luft schnappend, mit irrem Blick starrte er Xuong an, der sich zu ihm niederbeugte.
    »Wer seid ihr? Wer bist du?«
    Der bis an den Rand des Todes Erschöpfte setzte mehrmals an, ehe er mit krächzender Stimme flüsterte: »Ich bin Trinh Thu Cam … bitte Wasser … Ich flehe euch an … Wasser …«
    Im Hospital versorgten Anneliese, Dr. Herbergh und Dr. Starke die Mutter und ihre neun Kinder. Während die Frau sofort an einen Tropf gelegt wurde und eine Infusion bekam, schob man den völlig regungslosen Kindern Magensonden ein und gab ihnen eine Nährflüssigkeit. Zur Unterstützung des gestörten Kreislaufes bekamen sie herzstärkende Injektionen, und erst als Dr. Starke tief aufatmend sagte: »Seht euch das an, die gehen auf wie Hefekuchen!« wandten sie sich den beiden Männern zu. Der Vater war der erste, der leise und heiser zu sprechen begann. Er starrte auf die Infusion wie auf eine Höllenmaschine, so etwas hatte er noch nie gesehen. Xuong saß an seinem Bett. Truong Quoc Cam lag in eine Decke gehüllt, zum erstenmal in seinem Leben in einem weiß bezogenen Bett.
    Stellinger kam herein, noch in seinen nassen Hosen und im verschwitzten Hemd, und warf einen bösen Blick auf den kräftiger atmenden Truong.
    »Was muß der sich dabei gedacht haben?« sagte er zu Dr. Herbergh. »Das Boot ist 4,50 Meter lang und 1,40 Meter breit, ein Kahn mit einem Zwerg von Motor. Und damit geht er aufs Meer! Kann mir einer sagen, wo er damit hinwollte?«
    »Irgendwohin, wo er leben kann.« Xuong beugte sich zu Truong vor. »Ich werde ihn fragen.« Er schob mit der Hand Truongs Kopf zu sich herum, weg von der Infusionsflasche. »Warum bist du aus der Heimat geflüchtet?«
    »Vier Jahre … vier Jahre hat es gedauert«, antwortete Truong kaum hörbar. Seine Luftröhre war wie von Säure zerfressen. »Sie sind alle tot. Mein Bruder, meine Schwestern … zwei Neffen … alle tot. Lagen am Fluß und auf den Feldern. Niemand hat es getan. Und dann fragte mich die Partei. ›Bist du ein Kommunist?‹ – ›Natürlich‹, sage ich. ›Und warum

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