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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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oder Frankreich oder Kanada oder sonstwo – wir werden nirgendwo geliebt werden. Wir werden Freiheit und Frieden haben, aber allein sein. Allein unter Menschen, denen unser Gesicht nicht gefällt, die uns erdrücken mit ihrem Hochmut und ihrer Abneigung. Ich weiß das alles, und alles ist noch tausendmal besser, als weiter in Vietnam zu leben. Aber was bist du allein in dieser unbekannten Welt? Wir sollten zusammenbleiben, Kim. Du und ich. Dann haben wir ein Leben, das wir ertragen können.«
    »Was hat das alles mit Toam zu tun?«
    »Wer ist Toam?«
    »Der Deutsche, der mich aufs Schiff getragen hat. Ich nenne ihn Toam, seinen richtigen Namen kann ich nicht aussprechen. Franz …«
    »Aber du kannst ihn ja aussprechen, Kim!«
    »Ich will es nicht. Ich will, daß er Toam heißt.« Kim blickte hart in die stechenden Augen des Mannes. »Geh zur Seite, ich will zu meinem Lager.«
    »Mehr kannst du mir nicht sagen?«
    »Hier auf der Treppe nicht.«
    »Wann können wir über alle meine Pläne reden, Kim?«
    »Ich weiß es nicht, Le.«
    »Willst du sie überhaupt hören?«
    »Ja.«
    »Aber dem Deutschen wirst du Unterricht geben?«
    »Und er mir. In Deutsch.«
    »Das sagst du mir ohne Scham?«
    »Worüber sollte ich mich schämen? Deutsch ist eine Sprache wie Französisch, Englisch oder Vietnamesisch.«
    »Er wird dich in seine Kammer locken und über dich herfallen.«
    »Aber danach werde ich ihm die Kehle durchschneiden.«
    »Das würdest du tun, Kim?«
    »Ich würde es bei jedem tun, der mich dazu zwingt.«
    »Ich bin zufrieden.« Le gab die Treppe frei und ließ Kim an sich vorbeigehen. Mit einem zärtlichen Blick umfing er ihre wie schwerelos gehende, zierliche Gestalt. »Wenn du es tust, ersparst du mir die Arbeit. Er hat uns gerettet. Aber du bist nicht der Preis dafür.«
    Le wartete, bis Kim im Gang zu den Lagern verschwunden war, dann stieg er an Deck und sah Stellinger an der Bordwand stehen. Er rauchte einen Zigarillo, blickte in die Ferne und war, wie Le zufrieden feststellte, ein gutes Ziel. An diesem Rücken konnte man nicht vorbeiwerfen. Le war ein hervorragender Messerwerfer. Was ihm nur fehlte, war ein gutes, ausgewogenes Messer. Er würde es sich in der Küche beschaffen und so mit Holzstückchen ausbalancieren, daß es gut in der Hand lag, waagerecht im Wurf blieb und mit der ganzen Klinge von hinten ins Herz drang.
    Beruhigt stieg Le wieder unter Deck.
    Nach dem Abendessen – Koch Hans-Peter Winter hatte diesmal Klopse gekocht, nicht nach Art Negresco sondern à la Königsberg, und trotzdem meckerte Stellinger, das seien keine Klopse, wie seine Mutter sie gemacht habe, sondern das seien aufgeweichte Kanonenkugeln mit gesäuerten Wanzen, womit er die Kapern meinte – saßen Dr. Herbergh und Anneliese Burgbach im Untersuchungszimmer zusammen und gingen die Krankenberichte durch. Mit deutscher Gründlichkeit hatten sie von jedem Geretteten eine Karteikarte angelegt, als sei er ein normaler Patient in einer Klinik. Am Leuchtkasten hingen einige Röntgenbilder, eine Lungentuberkulose, ein Magen-Carzinom und zwei Osteochondrosis dissecans im Knie und im Ellenbogengelenk, ein typisches König-Syndrom. Die Tuberkulose war behandlungsfähig, die Knochenveränderungen kaum, das Magen-Ca nicht mehr. Es war inoperabel. Was Dr. Herbergh erstaunte, war das Phänomen, daß der Todkranke keinerlei Schmerzen empfand, auch nicht, wenn man auf den Magen drückte.
    »Was halten Sie davon, Anneliese?« fragte Dr. Herbergh und zeigte mit einem Bleistift auf das Röntgenbild. »Kollege Starke meint, der erlebt die Landung in Manila nicht mehr. Ich habe noch kein Magen-Ca gesehen, das so schmerzfrei ist. Und Pitz berichtet sogar, daß der Mann mit Appetit seine Mahlzeiten ißt. Aber Magen ist Magen, ob in Deutschland oder Vietnam.«
    »Und wenn es kein Ca ist?«
    »Anneliese, die Röntgenbilder sind klar, sie lügen nicht. Da läuft einer mit einem massiven Tumor rum und spürt nichts. Das ist schulmedizinisch unmöglich. Der Mann besteht nur noch aus Haut und Knochen, seine Hautfarbe ist hepatitisch, das Blutbild ist geradezu miserabel, aber er frißt, wie sich Pitz ausdrückt, mit Genuß und das ohne Schmerzen. Kann man Schmerzen so verdrängen durch eine Art Selbsthypnose? Ich habe gelesen, daß im alten China Operationen bei vollem Bewußtsein stattfanden, und der Patient gab keinen Laut von sich, sondern lächelte. Das habe ich für ein medizinisches Märchen gehalten – haben wir so ein Märchen nun an

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