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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gingen hintereinander zum Niedergang des Unterdecks. Die Liegestühle standen nun im Dunkel, im Schatten der Küchenwand. Man mußte schon scharfe Augen haben, um zu sehen, was dort geschah.
    Kim beugte sich wieder vor und wollte nach dem Glas greifen. Aber Stellinger hielt ihren Arm fest. »Nicht mehr, Mai«, sagte er.
    »Das Teufelchen ruft mich.«
    »Du trinkst jetzt keinen Schluck mehr!«
    »Warum bist du so böse, Toam?« Sie entriß ihm mit einem Ruck ihren Arm und warf sich wieder nach hinten in den Stuhl. Die Bluse rutschte hoch bis unter ihre Brüste. Ein schmaler, glatter Körper mit der Geschmeidigkeit einer Schlange.
    »Ich bin nicht böse«, sagte Stellinger mit belegter Stimme. »Aber es ist besser, du gehst jetzt zu deinen Leuten.«
    »Ich habe doch noch nichts gelernt, Toam.« Sie drehte sich auf die Seite und sah ihn mit glitzernden Augen an. »Glaaasss … und Isch biinnn doeinne Frrrau …«
    »Das ist genug, Mai. Es ist schon dunkel.«
    »Braucht man zum Lernen Licht?« Sie kicherte, wie nur eine Betrunkene kichern kann. »Was heißt Licht auf deutsch?«
    »Licht.«
    »Liechtt … Brauchen wir denn Liechtt, Toam?«
    »Wir lernen morgen weiter.« Stellinger stand auf, beugte sich über Kim, griff nach ihren Armen und zog sie aus dem Liegestuhl hoch. Sie fiel gegen seine Brust, warf die Arme um ihn und klammerte sich an ihm fest. Ihr Lachen wehte über sein Gesicht.
    »Ich bringe dich hinunter«, sagte Stellinger rauh. »Morgen, nach dem Frühstück, treffen wir uns wieder hier neben der Küche.«
    »Du bist doch böse, Toam«, lallte sie und ging, auf Stellinger gestützt, zum Niedergang. »Was hat Mai getan … Isch biinnn doeinne Frrrau …«
    Stellinger wartete, bis sie sich die Treppe hinuntergetastet hatte und in der Dunkelheit des Ganges verschwand. Dann ging er zurück zu den Liegestühlen, kippte beide Gläser in sich hinein und nahm die Ginflasche unter den Arm. Jetzt besauf' ich mich, dachte er. Stellinger, das muß einfach sein. Du hast zwei Gründe, dich zu besaufen: Einmal – du wirst Mai nie wieder hergeben, und zum zweiten – du bist wirklich das größte Rindviech!
    Unten, im Gang zu den Schlafkammern, wartete Vu Xuan Le auf Kim. Als sie an ihm vorbeiging, riß er sie herum und drückte sie gegen die Wand. »Du hast Alkohol getrunken!« zischte er ihr ins Gesicht. Er zitterte.
    »Ja«, sagte Kim. Nur dieses eine Wort, aber wer in ihren Augen zu lesen verstand, brauchte nicht mehr weiterzufragen.
    »Du hast dich benommen wie eine Hure.«
    »Ja.«
    »Du liebst ihn!«
    »Ja!«
    »Du wirst mit ihm huren.«
    »Ja!«
    Vor Les Augen zog ein roter Nebel. Er schlug zu, mit der flachen Hand in Kims Gesicht, in Kims Nacken, in Kims Halsbeuge, auf ihre Brüste, auf ihre Schultern. Er schlug und schlug, und Kim rührte sich nicht, nahm die Schläge hin, gab keinen Laut von sich, und lehnte, als er endlich aufhörte, den Kopf gegen die Wand.
    »Ich töte ihn«, sagte Le mit einer geradezu feierlichen Stimme. Es klang wie ein Schwur. »Ich töte ihn.«
    Dann riß er Kim von der Wand in den Gang und brachte sie zu ihrem Lager.
    Für Dr. Anneliese Burgbach war es eine schlaflose Nacht. Sie lag auf dem Bett, starrte gegen die Kabinendecke und rief sich immer wieder das ungeheure Ereignis ins Gedächtnis.
    Eine junge Frau streichelt einem Kranken, der einen inoperablen Magen-Ca hat, die Schmerzen fort. Nein, sie holt die Schmerzen aus ihm heraus, sammelt sie in ihren Händen und wirft sie dann weg in die Luft. Und der Kranke, der eigentlich vor Schmerzen schreien müßte, schläft mit einem Lächeln ein.
    Sie hatte schon viel gelesen von den philippinischen Wunderheilern, die mit der bloßen Hand operieren, Geschwüre aus dem Körper holen, und keine Narbe bleibt zurück. Sie hatte die Berichte über Dschuna studiert, dieses russische Phänomen, das mit den Händen Strahlen aussenden konnte, die Krankheiten verödeten, vom Rheuma in den Schultern bis zu einer Prostatitis, vom Lungenödem bis zum Magengeschwür, es wurde alles genau protokolliert und sogar gefilmt. Anneliese hatte immer an einen besonders raffinierten Trick gedacht. Sie hatte Bücher über Schamanen und Medizinmänner der Naturvölker durchgeblättert und immer nur den Kopf geschüttelt. Alles war psychosomatisch erklärbar, waren sogenannte hysterische Heilerfolge, Krankheiten, deren tiefere Ursache eine psychische Störung war, so wie Blinde an Wunderquellen wieder sehend werden oder Gelähmte aus ihrem Rollstuhl aufstehen. Für

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