Das goldene Ufer
herum fehlte. Sein Griff war warm, und sie spürte ihr Blut rascher durch die Adern rinnen. Eigentlich war sie nur widerwillig dem Wunsch ihrer Schwester gefolgt, die ihre Unterstützung bei dem Vorhaben erwartete, Gräfin Renitz die eigene, schon etwas überständige Tochter als mögliche Schwiegertochter anzudienen. Nun aber begann der Aufenthalt hier auch für sie interessant zu werden. Mit Bedauern entließ sie Walther nach dem Ende des Tanzes in die Arme einer anderen Frau und setzte sich. Während sie den über das Parkett wirbelnden Paaren zusah, sagte sie sich, dass der junge Mann ihr eine höchst angenehme Nacht bereiten würde.
7.
M itternacht war längst vorüber, als die Militärkapelle nach dem Preußenlied ihre Instrumente einpackte. Gräfin Renitz ließ noch einmal Champagner kredenzen und stieß mit den Gästen an, während Walther und Gisela in einer Ecke standen und erst einmal durchatmeten. Beide waren müde und erschöpft, der Hunger war einem unangenehmen Nagen gewichen. Außerdem hatten sie starken Durst. Daher winkte Walther Imma heran, auf deren Tablett noch zwei volle Gläser standen.
»Was willst du?«, fragte die Magd unfreundlich. Ihr passte das Aufsehen nicht, das Gisela und Walther an dem Abend erregt hatten.
»Nur etwas zu trinken!« Walther streckte die Hand aus, doch da zog Imma ihm das Tablett vor der Nase weg.
»Wie du sehr wohl weißt, hat Ihre Erlaucht verboten, dass das Gesinde etwas in den Repräsentationsräumen zu sich nimmt!«
»Wir verlassen den Saal gleich und trinken draußen auf dem Flur«, bot Walther an, doch auch darauf ließ Imma sich nicht ein. Mit einem spöttischen Lachen eilte sie weiter und bot die beiden Gläser anderen Gästen an.
»So ein Biest! Na warte, die soll sich etwas zuschulden kommen lassen! Dann werde ich sie genau nach den Richtlinien der Gräfin behandeln«, schimpfte Gisela leise und sah dann zu Walther. »Wie es aussieht, werden wir hier nicht mehr gebraucht. Lass uns in die Küche gehen. Vielleicht ist Cäcilie noch wach. Sonst mache ich uns eine Kleinigkeit. Außerdem bekommst du dort ein Bier.«
»Und was trinkst du?«
»Wasser! Das ist bekömmlicher für mich!« Gisela nahm die Sache leichter als Walther und war im Grunde nur froh, dass es vorbei war. Da niemand mehr auf sie achtete, zogen sie sich zur Tür zurück und eilten den Flur entlang.
An der Hintertreppe, die zur Küche hinabführte, blieb Walther stehen und sah Gisela mit bewundernden Blicken an. »Weißt du, dass du heute wunderschön aussiehst!«
Etwas verwundert, aber auch erfreut, dass er ein wenig aus sich herauskam, zupfte Gisela ihn am Ohrläppchen. »Du hast doch noch gar nichts getrunken!«
Anstelle einer Antwort fasste Walther sie bei den Schultern, zog sie für einen Augenblick an sich und gab ihr einen Kuss. Erschrocken über sich selbst ließ er sie jedoch sofort wieder los und hätte sich am liebsten im nächsten Mauseloch verkrochen.
»Es, es tut mir leid«, stotterte er.
»Mir nicht«, sagte Gisela so leise, dass er es nicht verstehen konnte, und dann fügte sie um einiges lauter hinzu: »Wir sollten jetzt wirklich in die Küche. Meine Zunge klebt bereits am Gaumen.«
Sie hatten Glück, denn Cäcilie und Frau Frähmke waren noch auf. Die beiden saßen am Küchentisch, hatten je ein Glas Hagebuttenwein vor sich stehen und wirkten reichlich müde.
»Ist es endlich vorbei?«, fragte die Mamsell.
»Der Heiligen Jungfrau sei’s gedankt!«, antwortete Gisela. »Aber jetzt hole ich erst einmal ein Bier für Walther. Der Arme ist halb verdurstet, und verhungert ist er auch.«
»Dafür sieht er noch recht lebendig aus«, antwortete Cäcilie lachend und wuchtete sich hoch. »Ruh du dich ruhig ein wenig aus. Das Bier kann ich holen. Und was willst du?«
»Wasser!«
»Papperlapapp! Du bekommst Hagebuttenwein genau wie wir!« Mit diesen Worten füllte die Mamsell ein Glas bis an den Rand und reichte es Gisela. Obwohl diese vor Durst fast verging, wartete sie, bis Cäcilie mit einem vollen Bierkrug zurückgekehrt war und ihn Walther vorsetzte.
»Zum Wohlsein!« Der herbe Fruchtwein floss durch Giselas Kehle, und sie spürte, wie sie sich bei den ersten Schlucken entspannte. Daher trank sie das ganze Glas leer, ließ zu, dass Cäcilie es ein zweites Mal füllte, und aß etwas von den Leckerbissen, die eigentlich für die Festtafel vorgesehen gewesen waren. Da die Köchin geahnt hatte, dass ihre beiden Schützlinge hungrig sein würden, hatte sie ein wenig
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