Das Gottesgrab
Schlangen ringend darstellte.
Dragoumis übersetzte diese Inschrift selbst. «Du kennst deine Kraft nicht, Alexander. Du weißt nicht, was oder wer du bist.» Er sah Elena fragend an. «Sagt Ihnen das etwas?»
«Es stammt aus der Ilias , oder?»
Dragoumis nickte. «Beide Texte. Aber welchen Sinn haben sie?» Elena kniete sich vor die dritte Szene, die Darstellung eines wütenden Kampfes. «Schild krachte gegen Schild, und Speer gegen Speer. Der Lärm war gewaltig, als die Erde rot vor Blut wurde.»
Dragoumis stand mit Costis vor dem Gordischen Knoten. Beide hatte ihre Taschenlampen auf die Skulptur gerichtet, um besser sehen zu können. «Wer diesen Knoten löst, der dieses Joch hält, wird die Herrschaft über Asien erlangen.»
«Sprich nicht von Flucht noch von Angst» , las Elena vor, «denn beides kenne ich nicht.»
Sie gingen an den Wänden entlang und entzifferten die weiteren Inschriften. Als sie fertig waren, schaute Elena Dragoumis an.
«Was denken Sie?»
«Ich denke, wir brauchen mehr …»
Ein dumpfer Schlag hallte vom Gang in die Kammer. Der Boden bebte, Staub fiel von den Wänden. Nicolas schaute sich um. Als ihm klar wurde, was geschehen war, schloss er wütend die Augen. «Mohammed», knurrte er.
III
Die Gelegenheit hatte sich für Mohammed überraschend ergeben. Die Griechen waren einer nach dem anderen im Berg verschwunden. Aus Neugier hatten sie ihre Pflichten vergessen. Mohammed hatte ein paar Minuten gewartet und eigentlich damit gerechnet, dass der eine oder andere seinen Fehler bemerkte und wieder zurückkehrte. Als aber niemand kam, begann er Mut zu fassen. Wenn er sie dort einsperrte, könnte er nach Siwa fahren und die Polizei holen. Dann würden sie alle für Jahre ins Gefängnis wandern und könnten weder Laylas Behandlung beeinflussen noch Rache üben.
Sein erster Gedanke war, die Öffnung des Gangs mit einem der Fahrzeuge zu blockieren, aber keines hatte die entsprechende Form. Also beschloss er, die Marmorplatte wieder vor den Eingang zu heben und dann Sand davorzuschütten. Er schob die Zähne der Baggerschaufel unter die Platte und versuchte sie anzuheben. Aber sie war so schwer, dass die Hinterräder den Bodenkontakt verloren; die Hydraulik kreischte und kam zum Stillstand. Die Platte rutschte zur Seite und krachte in den Sand. Er verfluchte sich. Den Lärm hatten sie bestimmt gehört. Alarmierte Schreie drangen nach draußen. Doch nun war es zu spät, um aufzugeben. Er setzte ein Stückchen zurück, beschleunigte dann vorwärts und hob mit Schwung die Marmorplatte hoch. Gerade als ein Grieche im Gang auftauchte, kippte er sie direkt vor die Öffnung. Triumphierend schaufelte Mohammed immer mehr Sand davor. Als er sah, wie der rosafarbene Marmor schnell darunter verschwand, war er zufrieden. Er hatte sie alle eingesperrt und konnte kaum glauben, wie einfach es gewesen war. Seine Frau hatte recht. Man musste sich seinen Dämonen stellen, sagte sie immer, dann konnte man alles besiegen …
Drinnen ertönte ein gedämpfter Schuss. Dann ein zweiter. Betäubt schaute Mohammed zu, wie sich im Sand vor ihm ein Kegel bildete, der breiter und tiefer wurde. Ein kleines schwarzes Loch entstand. Ein Mann kletterte heraus. Mohammed senkte die Baggerschaufel auf ihn, doch er zog den Kopf ein und richtete einfach sein Gewehr auf Mohammeds Gesicht. Mohammed ließ die Hebel los und hob schwerfällig die Hände. Ein zweiter Mann krabbelte heraus, ein dritter. Er musste an Layla denken und fragte sich verzweifelt, was nun mit ihr geschehen würde. Wie die Ratten krochen weitere Griechen aus dem Loch. Costis öffnete die Kabinentür des Baggers, schaltete die Zündung aus und nahm den Schlüssel. Nicolas näherte sich und wischte den Sand von Hemd und Hose. «Wenn einer von meinen Männern wüsste, wie man diese Maschine bedient, dann wärst du jetzt ein toter Mann», sagte er. «Hast du verstanden?»
«Ja.»
«Du hast eine Tochter», sagte er. «Ihr Leben hängt von unserem Wohlwollen ab. Ist dir das klar?»
«Ja.»
«Wirst du jetzt mit uns zusammenarbeiten?»
«Ja.»
Nicolas gab Costis ein Zeichen. Der Sicherheitschef kam mit Handschellen zurück. Einen Bügel schloss er um das Lenkrad, den anderen um Mohammeds linkes Handgelenk. Er konnte zwar noch alle Hebel bedienen, aber nicht mehr fliehen. Costis steckte den Schlüssel an einen Ring, der mit einer Kette an seinem Gürtel befestigt war. Dann runzelte er die Stirn, drehte sich um und schaute über die Dünen. Nach einem kurzen
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