Das Gottesgrab
umklammerte das Geländer, beugte sich vor und schaute sechs Stockwerke tief auf den unnachgiebigen Beton des Parkplatzes. Es wäre denkbar, sich auf den Balkon direkt unter ihm zu schwingen, aber wenn er im falschen Moment losließ … allein bei dem Gedanken wurden seine Zehen taub.
Das Husten in Augustins Wohnung wurde schlimmer. Ein seltsamer Eindringling, der in eine Wohnung einbrach, nur um dazustehen und vor sich hinzuhusten. Knox riskierte einen kurzen Blick durch die Glastür und sah nichts, was ihn beunruhigte. Als das Husten wieder einsetzte und es dann zu zischen begann, kapierte er endlich. Kopfschüttelnd ging er hinein und sah, wie Augustins Kaffeemaschine die letzten Tropfen Kaffee ausspuckte. Er schenkte sich eine Tasse ein und prostete sich sarkastisch im Spiegel zu. Beengung konnte er nur schwer ertragen, und Warten war auch nicht gerade seine Stärke. Er spürte bereits eine Art Lagerkoller, einen leichten Krampf in den Unterarmen und Oberschenkeln. Er sehnte sich nach einem flotten Spaziergang, um ein wenig überschüssige Energie loszuwerden, aber er wagte es nicht, sich draußen blicken zu lassen. Hassans Männer hatten sein Foto bestimmt schon an Bahnhöfen, in Hotels und bei Taxiunternehmen herumgezeigt und suchten alle Parkplätze nach seinem Jeep ab. Knox wusste, dass er sich ruhig verhalten musste. Trotzdem …
Augustin war früh am Morgen losgeeilt, um eine neu entdeckte antike Stätte zu begutachten. Wie sehr wünschte sich Knox, dabei sein zu können.
VI
Ibrahim war zutiefst besorgt, als er die Wendeltreppe hinaufstieg. Er musste Nicolas Dragoumis Bericht erstatten, und er wusste ganz genau, dass es dabei um mehr ging als nur den Etat dieser Ausgrabung. Es ging auch um Mohammeds kranke Tochter. Er drückte den Arm des großen Mannes, um ihm Zuversicht zu schenken, und entfernte sich dann mit Elena ein Stückchen von den anderen. Mohammed sah aufmerksam zu, als er die Nummer der Zentrale der Dragoumis-Gruppe wählte, seinen Namen und sein Anliegen angab und zum Warten aufgefordert wurde.
«Ja?», meldete sich Nicolas.
«Es ist eine schöne Stätte», begann Ibrahim. «Es gibt wundervolle …»
«Sie haben mir ein makedonisches Königsgrab versprochen. Ist es eines oder nicht?»
«Ich habe Ihnen etwas versprochen, was so aussieht wie ein Königsgrab», sagte Ibrahim. «Und das ist auch der Fall. Leider scheint es das Grab eines Schildknappen zu sein, nicht das eines Königs oder Adligen.»
«Eines Schildknappen?», schnaubte Nicolas. «Glauben Sie, die Dragoumis-Gruppe gibt zwanzigtausend Dollar für das Grab eines Schildknappen aus?»
«Die Schildknappen waren Alexanders Elitetruppe», protestierte Ibrahim. «Dieser Akylos muss ein …»
«Was?» , unterbrach Nicolas ihn ungläubig. «Wie war der Name?»
«Akylos.»
«Akylos? Sind Sie sich absolut sicher?»
«Ja. Weshalb?»
«Ist Elena da?»
«Ja.»
«Geben Sie sie mir. Sofort! Ich will mit ihr sprechen.»
Ibrahim zuckte mit den Achseln und reichte ihr das Telefon. Elena entfernte sich noch etwas weiter und drehte ihm den Rücken zu, sodass er nichts hören konnte. Sie redete gut eine Minute, ehe sie ihm das Telefon zurückgab. «Sie kriegen Ihr Geld», sagte sie.
«Das verstehe ich nicht», sagte Ibrahim. «Was ist so besonders an diesem Akylos?»
«Ich weiß nicht, was Sie meinen.»
«Doch, das wissen Sie.»
«Herr Dragoumis möchte ständig informiert werden.»
«Natürlich. Ich werde ihn selbst anrufen, sobald wir …»
«Nicht von Ihnen. Von mir. Er möchte, dass ich unbeschränkten Zugang bekomme.»
«Nein. Dem kann ich nicht zustimmen …»
«Herr Dragoumis besteht aber darauf.»
«Aber das waren nicht unsere Bedingungen.»
«Jetzt sind sie es», sagte Elena achselzuckend. «Wenn Sie weiterhin seine Unterstützung wollen …»
Ibrahim schaute zu Mohammed hinüber, der seine Hände knetete. «Na schön», seufzte er. «Wir können bestimmt etwas arrangieren.» Er bedeutete Mohammed mit einem Nicken, dass er das Geld bekommen hatte. Der große Mann schloss erleichtert die Augen und ging dann auf wackeligen Beinen in sein Büro, zweifellos, um nun seinerseits zu telefonieren.
Mansoor kam die Treppe hinauf und ging zu Ibrahim. «Und?», fragte er. «Legen wir los?»
«Ja.»
«Bauen wir alles ab oder lassen wir es stehen?»
Ibrahim nickte nachdenklich. Eine gute Frage. Wenn die Hotelgruppe ihren Willen bekam, würden die Bulldozer in vierzehn Tagen Tonnen von Schutt die Treppe hinunterschütten
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