Das Gottesgrab
nicht Menschen transportieren. Gailles Laptop stand aufgeklappt auf dem Schreibtisch, der Bildschirmschoner erzeugte verrückte Muster auf dem Monitor. Ein Mausklick, dann war ein buntes Wandgemälde von zwei Männern zu sehen.
Knox beugte sich stirnrunzelnd vor. «Meine Güte! Ist das aus der Ausgrabungsstätte?»
«Die Seitenwände der Vorkammer.»
«Aber … das ist doch nur Putz. Wie haben Sie es geschafft, dass es so aussieht?»
Sie grinste erfreut. «Ihr Freund Augustin. Er hat mir gesagt, ich solle Wasser benutzen. Ordentlich Wasser. Vielleicht nicht ganz so viel, wie Sie heute dort reingepumpt haben, aber …»
Er lachte und knuffte sie sanft gegen die Schulter. Dieser vorsichtige Körperkontakt erschreckte beide ein wenig. «Sie haben großartige Arbeit geleistet», sagte er und riss sich wieder zusammen. «Es sieht phantastisch aus.»
«Danke.»
«Wissen Sie, wer die beiden sind?»
«Der linke ist Akylos. Für ihn war das Grabmal.»
Knox überlegte. Der Name Akylos kam ihm seltsam bekannt vor. Aber warum auch nicht? Er war bei den Griechen nicht unüblich. «Und der andere?», fragte er.
«Apolles oder Apelles von Kos.»
«Apelles von Kos?», wiederholte Knox ungläubig. «Sie meinen doch nicht den Maler?»
«Ist er Maler gewesen?»
Knox nickte. «Er war der Lieblingsmaler von Alexander dem Großen. Alexander wollte sich von keinem anderen Künstler porträtieren lassen. Er besuchte ihn häufig im Atelier und ging jedem mit seiner Kunstauffassung auf die Nerven, bis Apelles ihm schließlich sagte, er solle den Mund halten. Selbst die Jungs, die die Farben herstellten, machten sich über ihn lustig.»
Gaille lachte. «Dazu gehörte bestimmt Mut.»
«Alexander mochte Menschen, die ein bisschen frech waren. Außerdem konnte Apelles nicht nur spotten, sondern auch schmeicheln. Er malte Alexander mit einem Blitzstrahl in der Hand, genau wie Zeus. Wo ist dieses Bild angesiedelt? Gibt es darüber Aufschluss?»
«Ephesos, so viel ich erkennen kann, aber Sie können sich den lückenhaften Text selbst ansehen.»
«Das könnte gut sein», sagte Knox. «Alexander war nach seinem ersten Sieg über die Perser dort.» Er nahm die Maus, schloss die Datei und öffnete eine andere. Soldaten wateten durchs Wasser.
«Perge», sagte er und schaute sie an. «Kennen Sie den Ort?»
«Nein.»
«Er liegt an der türkischen Küste, gegenüber von Rhodos. Wenn man von dort nach Süden will, kann man über die Berge marschieren, was sehr anstrengend ist, oder an der Küste entlanggehen. Das Problem ist, dass man diese Route nur bei Nordwind nehmen kann, weil der das Meer weit genug zurückdrängt, um durchzukommen. Als Alexander sich auf den Weg machte, kam der Wind aus Süden. Aber typisch Alexander: Er ging einfach weiter, und der Wind drehte gerade rechtzeitig, sodass er und seine Männer durchkamen. Manche Leute sagen, dass die Geschichte von Moses und der Teilung des Roten Meeres daher stammt. Schließlich durchquerte Alexander kurz darauf Palästina, und da war die Bibel noch im Werden.»
Gaille verzog das Gesicht. «Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt?»
«Sie dürfen den Einfluss der griechischen Kultur auf die Juden nicht unterschätzen», erwiderte Knox. «Auch sie waren von Alexander geblendet.» Viele Juden hatten versucht, sich anzupassen, aber das war damals gar nicht so leicht. Das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens der Griechen war das Gymnasium gewesen, und gymnos war das griechische Wort für nackt. Der Mensch war dort also in seiner ganzen Pracht zu sehen. Die Griechen hatten die Vorhaut als ein Schmuckstück göttlicher Schöpfung verehrt und die Beschneidung für barbarisch gehalten. Viele Juden hatten deshalb versucht, das Werk des Mohel zu korrigieren, indem sie die verbliebene Haut um ihre Eicheln ablösten oder Metallgewichte an die Vorhautreste hängten, die sie noch hatten.
«Das habe ich nicht gemeint», sagte Gaille. «Aber Wassermassen, die wundersamerweise versiegen, um den Helden hindurchzulassen, kamen in der antiken Mythologie häufig vor. Ebenso Fluten, die ausgeschickt wurden, um Feinde zu vernichten. Wenn ich darauf wetten müsste, wo der Ursprung dieser Sagen liegt, dann würde ich auf König Sargon tippen.»
«Der Akkadier?»
Gaille nickte. «Tausend Jahre vor Moses, zweitausend vor Alexander. Es gibt eine Quelle, in der beschrieben wird, wie Euphrat und Tigris für Sargon versiegten. Und es gibt bereits eine belegte Übereinstimmung zwischen ihm und
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