Das Gottesgrab
lediglich eine Frage: Wer soll letztlich entscheiden, wo ein Mensch hingehört? Er selbst oder jemand anderes?» Er hielt inne, um ihr eine Antwort zu ermöglichen, doch sie hatte nichts dazu zu sagen. «Ich glaube, dass es eine rechtmäßige Nation Großmakedonien gibt», fuhr er fort. «Ich glaube, dass diese Nation unrechtmäßig zwischen Bulgarien, Serbien und Griechenland aufgeteilt worden ist. Ich glaube, dass das makedonische Volk seit Jahrhunderten ungerechterweise unterdrückt worden ist, dass es Jahrzehnte ethnischer Säuberung erlitten hat und dass es immer noch drangsaliert wird, weil es keine Stimme und keine Macht besitzt. Hunderttausende in dieser Region sind meiner Meinung, ebenso Millionen von Menschen auf der ganzen Welt. Sie teilen eine Kultur, eine Geschichte, eine Religion und eine Sprache miteinander und nicht mit den Staaten, denen sie zugeteilt worden sind. Sie nennen sich Makedonier, egal welchen Namen ihnen die Weltöffentlichkeit gibt. Ich glaube, diese Menschen verdienen die gleichen Freiheits-, Religions- und Selbstbestimmungsrechte, die für Sie selbstverständlich sind. Diese Menschen sind meine Sache. Wegen dieser Menschen bitte ich um Ihre Hilfe.» Er schaute sie an. Sein Blick und seine Selbstsicherheit hatten etwas beinahe Triumphierendes. Gaille versuchte, seinem Blick auszuweichen, aber es gelang ihr nicht. «Und Sie werden helfen», sagte er.
KAPITEL 24
I
Knox wollte seinen Jeep irgendwo verstecken, wo Nessim ihn nicht so leicht finden würde. Südlich von Tanta bog er auf eine schmale Landstraße. Rick folgte ihm in seinem Subaru. Dann fuhren sie ungefähr fünfzehn Minuten hintereinander her, bis Knox im Mondlicht hinter überwucherten Feldern einen verlassenen Bauernhof sah, der anscheinend als Müllhalde benutzt wurde. Perfekt. Sie holperten über einen zerfurchten Feldweg und kamen auf einen heruntergekommenen Hof. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein Kuhstall, die Tore waren geöffnet und von ein paar mit Regenwasser gefüllten Trögen blockiert, der Boden war schlammig und mit Müll übersät. Links befand sich ein hässliches, niedriges Betongebäude mit einem breiten Stahltor, das in den Angeln quietschte, als sie es aufzogen. Drinnen roch es nach Diesel und Urin, der Boden war mit Fledermaus- und Vogelkot gesprenkelt, aber sonst war es leer. Knox fuhr den Jeep hinein, brachte alles, was er brauchte, in den Subaru, und deckte seinen Wagen dann mit der Plane ab.
«Kannst du es mir jetzt erklären?», fragte Rick, als sie nach Tanta weiterfuhren.
«Klar», sagte Knox. «Habe ich dir jemals von meiner Ausgrabung in Mallawi erzählt?»
Rick schnaubte. «Hast du jemals damit aufgehört?»
«Dann erinnerst du dich ja an das Wesentliche», sagte Knox, klappte seinen Laptop auf und überprüfte die CDs, die Rick mitgebracht hatte. «Richard Mitchell und ich haben ein Archiv mit ptolemäischen Papyri entdeckt. Wir haben Sie an Yusuf Abbas übergeben, mittlerweile Generalsekretär der ägyptischen Antiquitätenbehörde. Was er gesehen hat, gefiel ihm so sehr, dass er die ganze Ausgrabung an sich gerissen hat.»
«Und dann hast du einige der Papyri auf dem Schwarzmarkt entdeckt.»
«Genau. Der Markt für Papyri ist nicht besonders groß, selbst wenn ihre Herkunft gesichert ist. Aber gestohlene Papyri? Die meisten Käufer sind akademische Institutionen. Die würden keine heiße Ware kaufen. Aber Philipp Dragoumis interessiert sich für alles Makedonische, besonders dann, wenn es eine Verbindung zu Alexander hat.»
«Und das haben diese Papyri deiner Meinung nach?»
«Das obere Grabmal in Alexandria wurde für einen Schildknappen aus Alexanders Armee gebaut, für einen gewissen Akylos», sagte Knox. «Die untere Kammer ist von einem Kelonimos geweiht. Beide Namen tauchten in den Papyri von Mallawi auf. Wir haben sie fotografiert und die Fotos auf einer der CDs gespeichert, die du dir ausgeliehen hast. Hier.» Er drehte den Laptop, sodass Rick die Liste der Dateinamen sehen konnte, in der immer wieder Akylos und Kelonimos vorkamen. «Und gestern haben Nicolas und Elena den Namen Kelonimos wiedererkannt. Das könnte ich schwören.»
«Okay. Es gibt also eine Verbindung zwischen den Papyri aus Mallawi und dem Grabmal in Alexandria. Aber das erklärt nicht, was wir in Tanta wollen.»
«Die Dragoumis-Gruppe finanziert hier in der Nähe ein archäologisches Projekt. Das sind keine Leute, die auf gut Glück eine Ausgrabung sponsern, erst recht nicht im Ausland. Sie
Weitere Kostenlose Bücher