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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Meer, der Atlantik,
in die Bresche strömte wie Fruchtwasser aus einer geplatzten
Fruchtblase. Sagte Cassie die Wahrheit? Hatte die Midway-Taktik
seines Alten wirklich den Zweck gehabt, die Valparaíso zu schützen?
    »Ich habe Gott verloren.«
    »Nur vorübergehend«, versicherte Ockham. »Sie
werden Ihre Aufgabe noch erfüllen.«
    »Dein Vater liebt dich«, behauptete Cassie. »Und
ich, nebenbei erwähnt, liebe dich auch. Öffne die
Tür.«
    »Die Valparaíso sinkt«, sagte Anthony.
    »Dann müssen Sie den Corpus Dei eben mit der Maracaibo schleppen, oder?« meinte Pater Ockham.
    »Die Maracaibo ist nicht mein Schiff.«
    »Daran brauchen Sie sich nicht zu stören.«
    Anthony sperrte die Tür auf. Und da stand sie, die Augen
feucht und hohlen Blicks, zog einen Flunsch, hatte auf der Stirn
Reif, als trüge sie ein Diamantenstirnband. Herrgott, was
für ein unvergleichliches Paar sie abgaben: zwei Menschen mit
ausgeprägt starkem Willen, die sich, obwohl aus
gegensätzlichen Beweggründen, mit sieben Millionen Tonnen
Aas herumschlugen.
    »Du liebst mich, Cassie?«
    »Wider bessere Einsicht.«
    Anthony nahm die Spiegelbrille aus der Tasche des Parkas, setzte
sie auf die Nase und wandte sich an Ockham, konfrontierte den
Priester mit einem zweifachen Abbild seines Kapitäns. »Sind
Sie tatsächlich der Ansicht, wir können Gott wieder ins
Schlepp nehmen?«
    »Seit ich Sie kenne, habe ich schon öfters Pferde kotzen
sehen«, entgegnete der Geistliche.
    »Na schön, aber erst muß ich noch in meine Kabine
und ein paar Sachen holen. Mein Popeye-Notizbuch…«
    Ockham zeigte erhebliche Nervosität. »Kapitän, die Valparaíso steht kurz vor dem
Auseinanderbrechen.«
    »Den Messingsextanten«, sagte Anthony. »Eine
Flasche Burgunder.«
    »Aber du mußt dich beeilen.«
    »Die Engelsfeder.«
     
    »Natürlich erkenne ich die Ähnlichkeit«,
erklärte der aufgeregte junge Mann, dem ein frostkaltes
Stethoskop um den Hals hing; an die Brust drückte er ein
Alu-Klemmbrett. »Die hohe Stirn, das kräftige Kinn…
Sie sind eindeutig Ihres Vaters Sohn.«
    »Und meiner Mutter.« Anthony kletterte an einer Batterie
leergeschossener Crotale-Raketenabschußanla-gen vorbei und
betrat den dwarsschiffs verlaufenden Laufsteg der Maracaibo.
    »Ich bin Giuseppe Carminati«, stellte der Arzt sich vor.
Zu seiner Kluft gehörten eine Schirmmütze mit aufs Band
gesticktem roten Kreuz und eine Art von Dienstmantel mit
Goldknöpfen und Epauletten, so daß er aussah, als
wäre er geradewegs einem Musical Andrew Lloyd Webbers über
Traumschiffärzte entsprungen. »Ihr Vater ist noch am Leben,
darf aber nicht bewegt werden. Unser Steuerer kümmert sich am
Ballasttank Nummer Drei um ihn. Übrigens ist Ihnen der Mann
bekannt, glaube ich. Wir haben ihn im Golf von Cádiz von einer
Insel geholt.«
    »Neil Weisinger?« fragte Ockham mit höchster
Neugier.
    Carminati legte die im Handschuh warmgehaltene Faust um die
eiskalte Öffnung des Stethoskops und drehte sich dem Pater zu.
»Genau, Weisinger.« Der Arzt lächelte mit dem linken
Mundwinkel. »Erinnern Sie sich vielleicht an mich?«
    »Sind wir uns schon begegnet?«
    »Vor drei Monaten im Mediensaal des Vatikans. Ich habe als
Gabriels Arzt fungiert.« Carminati schlang die Arme um den
Oberkörper. »Es wäre mir lieber, jetzt in Rom zu sein
und das Herz des Heiligen Vaters abzuhören. In solcher
Kälte komme ich schlecht zurecht.«
    »Haben Sie viele Verletzte zu behandeln?«
    »Im Vergleich zur originalen Schlacht von Midway nicht.
Einundzwanzig Fälle akuter Unterkühlung, überwiegend
kompliziert durch Abschürfungen und Knochenbrüche,
außerdem einen zivilen Beobachter, der schwere Verbrennungen
erlitten hat, als sein PBY-Amphibienflugzeug abgestürzt
ist.«
    »Oliver Shostak?« erkundigte sich Cassie in
beklommen-furchtsamem Ton.
    Carminati guckte auf der Liste des Klemmbretts nach. »Albert
Flume«, lautete seine Auskunft. »Shostak hat offenbar nur
eine Schulterverrenkung. Kennen Sie ihn?«
    »Ein alter Jugendfreund. Eine ausgerenkte Schulter hat er,
sonst nichts?«
    »Außerdem nur harmlose Schnitte, kleine Brandwunden und
ohne weiteres behandelbare Hypothermie.«
    »Und da behaupten manche Leute«, brummelte Anthony,
»es gäbe keinen Gott.«
    »Rechnen Sie mit Abgängen?« fragte Ockham.
    »Nein, aber es hat Tote gegeben. Der Schauspieler, der die
Rolle Hauptmann John Waldron hatte, ein Mann namens« –
Carminati schaute wieder ins Verzeichnis – »Brad Keating,
ist regelrecht ausradiert

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