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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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des Marineflieger-Geschwaders 6 erwehrte, hockten
die zwei Militärdrama-Veranstalter wie erstarrt in den
MG-Ständen und lauschten auf den Funkverkehr, einem
Horror-Hörspiel, das ihre geliebte Rundfunkserie Gangsterjäger weit in den Schatten stellte.
    »Rakete auf sechs Uhr!«
    »Mayday! Mayday!«
    »Alle Mann abspringen!«
    »Zu Hilfe!«
    »Spring!«
    »Scheiße!«
    »Mami! Mami!«
    »Davon steht nichts in meinem Vertrag…!«
    Oliver war nach Beten zumute, nur erwies es sich als
ausgeschlossen, dafür die erforderliche Kraft zu sammeln, wenn
sich die angegammelten, hartgefrorenen, entstellten Überreste
des Gottes, an den er ohnedies gar nicht glaubte, dermaßen
übergroß vor seinen Augen erstreckten.
    »Albert…?«
    »Ja, Sidney?«
    »Albert, die Sache macht mir keinen Spaß
mehr.«
    »Ich weiß, was du meinst.«
    »Albert, ich möchte nach Hause.«
    »Oberleutnant Reid«, sagte Flume ins Bordfunkmikrofon,
»steigen Sie bitte auf dreitausend Meter und nehmen Sie Kurs auf
Point Luck.«
    »Also treten wir… den Rückzug an?«
    »Ja, den Rückzug.«
    »Sind Sie früher auch schon mal aus ’ner
Veranstaltung ausgebüchst?« wollte Reid wissen.
    »Quatschen Sie nicht, Reid, drehen Sie ab!«
    »Zu Befehl, Sir«, antwortete der Pilot und kippte den
Steuerknüppel.
    »Albert?«
    »Ja, Sidney?«
    »Zwei unserer Mitwirkenden sind tot.«
    »Die meisten sind abgesprungen.«
    »Zwei sind tot.«
    »Ich weiß.«
    »Hauptmann Waldron ist tot«, sagte Pembroke. »Und
sein Funker, Unterleutnant Collins.«
    »Carny Otis, stimmt’s?« vergewisserte sich Flume.
»Ich habe ihn mal im Helen-Hayes-Theater gesehen. Als
Jago.«
    »Albert, ich glaube, wir haben Scheiße
gebaut.«
    »Achtung, Marineflieger-Torpedobomberstaffel Sechs«,
erscholl die Stimme des Ray-Spruance-Darstellers aus der Funkanlage.
»Achtung, Marineflieger-Kampfbomberstaffel Sechs!
Aufgepaßt, Männer, ganz egal, wie man’s dreht und
wendet, wir werden nicht dafür bezahlt, uns mit ’m
Golf-Tanker anzulegen. Brechen Sie den Angriff ab und kehren Sie zu
Mutter Gans heim. Ich wiederhole: Angriff abbrechen und Enterprise anfliegen! Wir werfen um fünfzehn Uhr dreißig
Anker.«
    Wie aus dem Nichts erschien seitlich des Amphibienflugzeugs ein
angeschossener Sturzkampfbomber, Flammen loderten in Schwaden aus den
Tragflächen. Die Maschine taumelte so nahe heran, daß
Oliver das Gesicht des Piloten hätte erkennen können,
wäre es nicht bis auf die Knochen verbrannt gewesen.
    »Das ist Leutnant Gay!« schrie Pembroke. »Leutnant
Gay ist getroffen worden!«
    »Guter Gott, nein!« blökte Flume.
    Die steuerlose Dauntless schlingerte geradewegs aufs Heck
des Wasserflugzeugs zu, verstob Funken und glühende
Trümmerteile. Pembroke krakeelte wie ein Irrer, vollführte
ein wirres Gefuchtel von Abwehrgebärden, eine rasante
Abnehmespiel-Pantomime. Genau als Erdbeere 11 die befohlene
Flughöhe von 3000 m erreichte, kollidierte der
Sturzkampfbomber mit dem Fernaufklärer, brach dem PBY-Flugboot
das Leitwerk und das rechte Höhenruder ab, zerlöcherte den
Rumpf und verschwappte brennenden Treibstoff in den Mittelgang
zwischen den MG-Ständen. Jedes dieser unheilvollen Ereignisse
geschah derart schnell, daß sie alle zusammen nicht länger
als Olivers Schreckensschrei dauerten. Dichte Flammen brausten durch
den Achterrumpf der Maschine und schlugen in den linken MG-Stand.
Innerhalb von Sekunden brannten Albert Flumes Baumwollhose,
Fliegerschal und Schutzweste.
    »Aaaaaaah!«
    »Albert!«
    »Löscht mich!«
    »Löscht ihn!«
    »Gott, so löscht mich doch!«
    »Hier!« Der Charles-Eaton-Darsteller warf Oliver einen
glänzendroten Metallkegel in den Schoß.
    »Was ist das?« Oliver konnte nicht unterscheiden, ob ihm
vor Entsetzen Tränen aus den Augen rannen oder infolge des
pechschwarzen Rauchs, der um den Platz des Bordmechanikers
heraufquoll. »Was denn? Was soll das sein?«
    »Lesen Sie die Gebrauchsanweisung!«
    »O Himmel!« schrillte Flumes Stimme. »O Gott im
Himmel!«
    »Ich glaube, unser Leitwerk ist abgebrochen«, rief Reid
über den Bordfunk.
    Oliver wischte sich die Augen, SENKRECHT HALTEN, las er; und tat
es. GRIFF ZIEHEN. Griff? Welchen Griff? Verzweifelt betastete er den
Feuerlöscher – O Gott, den Griff, den Griff. – und hatte tatsächlich auf einmal etwas in der Hand, das sich
wie ein Griff anfühlte.
    »Löscht mich!«
    »Löschen Sie ihn doch endlich! Ach du Schande, Albert,
alter Spezi…!«
    AUS DREI METERN ABSTAND UNTEN AUFS FEUER RICHTEN. Oliver

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