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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Kardinal! Wir wollen doch ehrlich
miteinander sein, ja? Ihnen war das Projekt von Anfang an zuwider.
Hätte OMNIPATER nicht auf ein paar intakte Neuronen getippt,
wären Sie sofort für eine Kremation gewesen. Aber jetzt ist
das Hirn unrettbar zerstört, und das heißt, Ihre und die
Karriere des ganzen übrigen Klerus geht den Bach runter, sollte
die Wahrheit je an die Öffentlichkeit gelangen. Dazu kann ich
nur sagen: Schade, meine Herren, aber schlucken Sie die bittere
Pille. Der Stuhl Petri ist nie als Besitztitel gedacht
gewesen.«
    »Pater Thomas«, knurrte di Luca, »ich wünsche,
daß Sie die Sitzung unverzüglich verlassen.«
    »Rutschen Sie mir den Buckel runter«, entgegnete der
Geistliche. »Aus dem Blickwinkel der Kirche mag der Leichnam ja
ein Ärgernis sein. Für mich und Kapitän van Horne
allerdings verkörpert er eine geheiligte
Verpflichtung.«
    »Hinaus!«
    »Nein.«
    Unvermutet verstummte der Kardinal, pochte erbittert mit dem
Aschenbecher auf dem Tisch herum und erzeugte ein
gleichmäßiges Dong-dong-dong.
    »Das ist gar kein Filmrequisit, oder?« fragte Peche.
    »Überhaupt nicht«, antwortete O’Connor.
    »Guter Gott…«
    »Ganz genau«, sagte Haycox.
    Van Horne schenkte di Luca ein breites, feindseliges Lächeln.
»Erstens: Wir dampfen zu unserem Schleppgut. Zweitens: Wir
vertäuen den Corpus Dei am Heck. Drittens: Wir nehmen den
Schlepptransport wieder auf.« Er heftete den Blick auf Peche.
»Vorausgesetzt natürlich, niemand hat
Einwände…«
    Unversehens erfüllte Thomas Freude. Wie wundervoll war es
doch, zur Abwechslung einmal auf einer Seite mit van Horne zu
kämpfen.
    »Mir ist ganz wirr im Kopf«, bekannte Peche, »aber
mein Gefühl sagt mir, eine Verbrennung wäre
unverzeihlich.«
    »Wenn’s tatsächlich ist, was Sie
behaupten…«, stimmte ihm Cornejo halblaut zu,
»wenn’s sich wirklich, also wirklich so
verhält…«
    »Wer sind wir denn im Vergleich zu Engeln?« führte
Mangione an.
    Der Kapitän griff in die Hemdtasche, holte Rafaels
Engelsfeder hervor und wies damit auf den Ersten Offizier.
»Rafferty, stellen Sie die Funkbude unter bewaffnete Bewachung.
Jeder Versuch Monsignore di Lucas, sie zu betreten, ist zu
unterbinden. Und da wir gerade bei Sicherheitsvorkehrungen sind, es
dürfte auch ratsam sein, Öhrchen und ihre Verbündete
Dr. Fowler unter Aufsicht zu stellen.«
    »Aye, Sir«, sagte Rafferty.
    Bliss klammerte die Hand um ihren Kristallanhänger und
rümpfte die Nase.
    »Ich gehe wohl zurecht davon aus«, erwiderte di Luca,
»Ihnen ist ohne weiteres gänzlich einsichtig, daß Sie
allesamt von diesem Moment an in außerordentlich ernstem
Konflikt mit dem Vatikan stehen. Rom erhält von mir
regelmäßig Nachricht. Wenn ich mich nicht mehr melde, wird
Ihnen ein anderer Golf-Tanker nachgeschickt. Oder zwei, drei…
Eine ganze Armada.«
    »Dann wird’s uns wenigstens nicht langweilig«,
spaßte van Horne.
    »Sie leisten sich einen tragischen Fehler, Kapitän.
Schlimmer als in der Matagorda-Bucht.«
    »Den habe ich überlebt. Ich überstehe auch meinen
nächsten Fehler.« Van Horne deutete mit der Feder auf Dr.
Carminati. »Wann werden die Verletzten ausgeflogen?«
    »Wir erwarten die Hubschrauber in zwanzig Minuten. Das
Ausfliegen dürfte innerhalb einer Stunde beendet sein. Ihnen ist
hoffentlich klar, daß ich mich Ihrer empörenden Meuterei
nicht anschließe.«
    »Meuterei ist genau das richtige Wort«, sagte di
Luca.
    Statt auf den Arzt zeigte van Horne mit der Feder als
nächstes auf den Kardinal. »Wenn ich mich gegen den Vatikan
auflehne, Eminenz, dann rebelliert der Vatikan gegen den
Himmel.« Der Kapitän schloß die Augen. »Ich
überlassen Ihnen die Entscheidung, was die schwerere Sünde
ist.«
     
    Das halbe Dutzend Automaten im Imbißrestaurant der Maracaibo enthielt ein breites Angebot grotesker Produkte:
Puffreis Yokohama, Oma-Lisa-Kirschtörtchen, Casanova-Schnitten.
Jeder dieser Artikel untermauerte Olivers insgeheim wachsende
Überzeugung, daß die westliche Zivilisation mit oder ohne Corpus Dei am Rande des Zusammenbruchs stand. Cassie saß
in einem körpergerecht geformten Plastikstuhl an einem kleinen
Resopal-Tisch im kalten Leuchten des KALTGETRÄNKE-Automaten bei
einem Bonaqa, ein Anblick, der Oliver an Degas Meisterwerk Das
Glas Absinth erinnerte. Rechts von ihr strahlte das Leuchtschild
BACKWAREN. Links glomm das Leuchtschild Süßigkeiten. Er
ging zum KALTGETRÄNKE-Automaten, zog sich Kaffee in einem
unerklärlicherweise mit Spielkarten

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