Das Gottesmahl
Leben geleistet haben. Ich bin
Pater Thomas Ockham vom Jesuitenorden. Wir fahren in den kommenden
drei Monaten zusammen zur See. Wir sehen uns an Bord, Leute.«
Zum Schluß vollführte der Geistliche, als hielte er die
Handelsflotte der Vereinigten Staaten für ein Anhängsel der
Kriegsmarine, unvermittelt eine zackige Kehrtwendung und stapfte aus
dem Saal.
»Ich hab’s doch gesagt, der Herrgott hilft uns«,
betonte Zook, indem er sich einen Schweißschnurrbart von der
Oberlippe leckte.
Gespenstisches Schweigen folgte, senkte sich auf den Staub,
vermengte sich mit dem Zigarettenqualm. Der Herrgott hilft uns,
sinnierte Neil. Entweder der Herrgott oder die Karibische Petroleum
AG. Voraussichtlich schifften sie keine Juden nach Haifa und keine
Flußpferde nach Le Havre, aber wenigstens hatte er nun eine
Heuer.
»Gott hat mich noch nie im Stich gelassen«, bemerkte
Zook.
Eine Heuer – und trotzdem hatte Neil kein gutes
Gefühl.
»Auf Christus war noch immer Verlaß.«
Ein Schiff wie die Valparaíso sollte nicht mehr
auslaufen, und falls es doch geschah, war es für einen
gescheiten Vollmatrosen klüger, sich nach einem anderen
Arbeitsplatz umzuschauen.
»Wißt ihr, Kollegen, für mich ist das reichlich
unheimlich«, gab eine breitärschige Puertoricanerin in
engem Eddie-Guerrero-Dead-T-Shirt zu. »Wieso stechen wir mit
’m Pfaffen in See?«
»Ja, beim Klabautermann, und warum auf ’m Schiff, das
’n geradeso beschissenen Ruf wie die Titanic hat?«
ergänzte sie ein alter, ergrauter Muschelrücken, der Ich
liebe Brenda in den Handrücken tätowiert hatte.
»Und ich erzähl euch noch was«, sagte der
Schwammige. »Ich bin mal mit ’m Massengutfrachter vor den
Svalbard-Inseln gewesen, und ich sag euch, dort gibt’s keinen
einzigen Tropfen Rohöl nicht. Was wollen wir denn an Bord
nehmen, vielleicht Walroßpisse?«
»Mensch, es ist doch großartig, wieder ’n
Heuervertrag in Aussicht zu haben«, meinte die gertenschlanke
An-mei Jong mit gezwungener Begeisterung.
»Ach ja, klar«, sagte Brendas Liebhaber mit
gekünstelter Freude.
Neil langte in die Hosentasche und preßte die Faust um
Großvaters Ben-Gurion-Medaille. »Na los, heuern wir
an«, ermunterte er sich und die anderen, obwohl er den nahezu
übermächtigen Drang verspürte, hinauszulaufen und
irgendeine arbeitslose Teerjacke ausfindig zu machen, die an der 11.
Avenue die Docks abklapperte, und dem armen Schwein den Platz auf der Valparaíso abzutreten.
Den durchschnittlichen Kapitän griff es ans Herz, sein Schiff
der Verantwortung eines Hafenlotsen zu überlassen, die Zumutung
eines Gefühls der Verkehrtheit, nicht unähnlich den inneren
Empfindungen eines Ehemanns, der in der Handtasche seiner Frau eine
fremde Kondom-Marke entdeckt. Aber Anthony van Horne war kein
durchschnittlicher Kapitän. Nicht die Hafenlotsen stellten die
Regeln auf, sagte er sich, sondern der Nationale
Verkehrssicherheitsausschuß. Darum hegte Anthony, während
am Abend des planmäßigen Auslaufens ein alter, verbeulter
Kutter der New Yorker Hafenbehörde von Pier 88 ablegte und wenig
später, um 17 Uhr 35, längsseits der Valparaíso festmachte, durchaus den Willen zum Höflichsein.
Da jedoch erkannte er den Lotsen.
Frank Kolby. Der schmierige, kriecherische Frank Kolby, der Freund
der Familie, der bei dem unseligen Erntedankfest-Abendessen zugegen
gewesen war, bei dem Anthonys Vater die Havarie der Valparaíso in einer Soßenschüssel
nachgespielt hatte.
»Hallo, Frank.«
»Hallo, Anthony«, antwortete der Lotse. »Ich habe
gehört, daß du auf der Brücke stehst.« Die
Aktentasche an der Hüfte, betrat Kolby das Steuerhaus, streifte
den gelben Vinyl-Friesennerz und die dazugehörige, wasserdichte
Hose ab. Darunter trug er einen marineblauen, dreiteiligen, gut
gebügelten, todschicken Anzug, bei jemandem wie ihm geradezu
eine Hochstapelei, durch die er wie ein überkandidelter
Parkwächter wirkte. »Die alte Valparaíso ist
wirklich gut wieder in Schuß gebracht worden, was?«
»Ich gehe davon aus, daß sie mindestens noch eine Fahrt
durchsteht«, entgegnete Anthony und setzte die Spiegelbrille
auf.
Die Hafenschlepper zeigten durch Tuten Bereitschaft an. Kolby warf
die zusammengefaltete Plastikhose neben dem Kompaßgehäuse
auf die Plastikjacke, postierte sich vor dem Manöverpult und
nahm den Mitsubishi-Sprechfunkapparat zur Hand. »Anker
lichten!«
Auf dem Vordeck drehten sich und knarrten die Spillen,
verströmten Dampf, hoben die beiden
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