Das Gottschalk-Komplott

können?“
    „Na, hör mal“, brabbelte Prior, indem er mühsam den Schock überwand, den Flamen ihm versetzt hatte, „in Anbetracht dessen, wie die Dinge stehen, halten die Einschaltquoten sich ziemlich gut, und ich schätze, das ist es, worauf s ankommt.“
    „Wenn sie sich so gut halten, warum regen dich dann die Unterbrechungen so auf? G’spusi, du weißt so gut wie ich, würde man eine technische Überprüfung der Fernsehapparate durchführen, die regelmäßig für meine Sendung angeschaltet werden, käme dabei heraus, daß man den Empfang und die Farben absichtlich verstellt hat. Wer guckt denn heutzutage mittags DreiDe-Tele, außer Leuten im Psychorbit? Verdammt, vielleicht finden die Zuschauer gerade die Unterbrechungen besonders dufte!“
    Priors Miene widerspiegelte Besorgnis, während er eine Antwort gab, die einem Reflex glich. „Du bist zu bescheiden, Matthew. Du zählst zu jener winzigen Handvoll von Leuten, die noch dazu imstande sind, das Fernsehpublikum zum Einschalten einer Sendung mit Wortbeiträgen zu bewegen. Du solltest nicht deine eigenen Begabungen schlechtmachen.“
    „Das brauche ich nicht zu tun. Andere erledigen das für mich.“ Flamen leerte sein Glas mit einem letzten, langen Zug; als das Getränk in seiner Magengrube gluckerte, war ihm ein wenig wohler zumute. „Ich bitte dich um eine Gefälligkeit, G’spusi – denk mal einen Moment lang richtig scharf nach, hm? Treten diese geheimnisvollen Störungen jemals während eines Werbespots auf? Keineswegs. Treten sie denn auf, wenn ich einen echt gepfefferten Streifen von Ort und Szenerie irgendeines ekelhaften Skandals abzuspulen habe? Hn-hn. Sie ereignen sich, wenn die Kamera auf mich gerichtet ist, zu keinem anderen Zeitpunkt. Ist es so, G’spusi, oder nicht?“
    Prior hätte der Feststellung gerne widersprochen – man sah es ihm an –, aber zugleich verriet seine Miene, daß er wußte, die Tatsache sprach für sich. Er nickte grämlich.
    Flamen stellte sein Glas zum Auffüllen in den Getränkeautomaten und drückte die Taste. „Was also soll ich nach deiner Ansicht tun?“ meinte er. „Recherchieren lassen? G’spusi, wozu wäre das nötig? Denk an die Hintergründe – man hat uns mit dem Angebot von täglich fünfzehn statt zehn Minuten aus der Hauptsendezeit gelockt, stimmt’s? Dann hat man die zusätzlichen Minuten mit vermehrter Werbung wieder beschnitten. Schön, mit einem einleuchtenden Argument – daß immer mehr Sponsoren ausgerechnet diese fabelhaften Zuschauer erreichen möchten –, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß unsere Fünfzehnminutensendung runter auf zwölfeinhalb Minuten ist und voraussichtlich noch mehr gekürzt wird. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Themen, die wir auf Wunsch des Senders weglassen, ständig zu. Findest du nicht auch, daß man dafür, die Einschaltquoten halten zu wollen, ein bißchen zu überängstlich ist?“
    Er schwieg, aber Prior sagte nichts.
    „Ich verstehe das folgendermaßen“, fügte er hinzu. „Man kann’s sich nicht leisten, mir einfach die Tür zu zeigen – durch einen Vertragsbruch seitens des Senders könnte ich mir bloß einen mit Platin gepflasterten Abgang verschaffen. Deshalb hofft man, ich werde mich genug ärgern und eines Tages herumzuschreien anfangen, so daß man mir wegen Beleidigung des Programmchefs ans Bein pissen kann, ohne daß die PKK eingreifen könnte. Also rate ich dir, mach’s genauso wie ich und halte durch, solang’s nur geht. Hunderttausend Kröten im Monat sind nichts, was sich einstreichen läßt, indem man an die erstbeste Tür klopft.“
    Ungefähr in der Mitte des letzten Satzes schwand Priors Aufmerksamkeit. Aus seiner Miene schlußfolgerte Flamen, daß der Bildschirm am anderen Ende der Verbindung entweder etwas ganz anderes zeigte oder erneut völlig verschwommen geworden war; er wollte den Apparat ausschalten, unterließ es dann jedoch. Es sah ganz lustig aus, den normalerweise unerschütterbaren Prior Verwünschungen wettern zu sehen, die man nicht hören konnte, denn zugleich mit dem Bildausfall mußte die Tonübertragung ausgefallen sein.
    Doch sein Vergnügen währte nur kurz. Sein Lächeln wich, als er sich wieder Gedanken über die Wahrheit widmete, gegen die sich Prior aus irgendeinem oberflächlichen Grund wehrte, vielleicht infolge der Vorstellung, die Aufsichtsräte der Holokosmos seien ‚ehrbare Männer’ – ehrbar wie Brutus.
    „Jemand kann immerzu lächeln und doch ein Halunke sein“, murmelte Flamen,