Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gottschalk-Komplott

Das Gottschalk-Komplott

Titel: Das Gottschalk-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
Vom Netzwerk:
geschehen war, ließ sich schwer begreifen – es sei denn (und ein bereits vertrauter Dämon begleitete diesen Gedanken mit höhnischem Gelächter), er hing an seinen Patienten wie ein Geizhals am Geld. Vielleicht versprach es Erfolg, sich einfach mit dem Argument an ihn zu wenden, ein einzelner Knieblank in der Klinik sei ein potentieller Herd der Beunruhigung für die anderen Patienten?
    Reedeth seufzte. Spitzte man allerdings die Implikationen des Falls Madison bis zum logisch konsequenten Extrem zu, dann konnte man nur allzu leicht zu dem Befund gelangen, jemand von so totaler Unberechenbarkeit, legte man diesen Begriff eng aus, sei in der Tat für das Dasein inmitten der herkömmlichen menschlichen Gesellschaft ungeeignet. Diese Modifikationen am Pultomaten, zum Beispiel: Hätte eine normale Person sie so schnell und tüchtig durchführen können? Ohne ein Experte zu sein, kannte Reedeth sich in der Kybernetik besser als ein durchschnittlicher Laie aus – eine Notwendigkeit, weil in der modernen Psychotherapie soviel von computerisierten Feststellungen abhing –, und er war zu beschwören bereit, daß die Konstrukteure solche Änderungen nicht vorgesehen hatten.
    Ferner: Auf die Frage, ob es Madison interessieren würde, eine Pythoness zu sehen, hätte er sofort negativ geantwortet. Sämtliche jemals angefertigten Psychoprofile Madisons verwiesen auf eine ausgeprägte Abneigung gegen alles, was nach Unwissenschaftlichkeit und Obersinnlichkeit aussah. Und doch war er nun nicht nur zur Stelle, sondern sogar ziemlich früh, als ob ihm sehr daran läge.
    Was mochte ihn dazu bewogen haben, die Einladung zu der Veranstaltung anzunehmen – reine Langeweile? Das freilich war nur zu wahrscheinlich. Madisons gleichmütiges Auftreten stand in schärfstem Gegensatz zu jenem der übrigen grüngekleideten Patienten. Sie waren ausnahmslos sichtlich nervös. Es war augenfällig, daß diese Unterbrechung ihrer gewohnten Absonderung ihnen eine gewisse Erleichterung bedeutete, aber zugleich verstörte es sie, nach wochen-, monate- und in einigen wenigen Fällen möglicherweise jahrelanger Beschränkung aller Kontakte auf KommNetz-Verbindungen plötzlich wieder in der leibhaftigen Gesellschaft gleich so vieler anderer Menschen zu sein.
    Bei dieser Beobachtung begriff Reedeth – und er patschte sich mit der Hand auf die Stirn, als das ihm auffiel –, daß das hieß, er war Zeuge eines seit der Gründung der Ginsberg-Klinik noch nie dagewesenen Vorfalls. Und ausgerechnet Ariadne war es gewesen, die ihn herbeigeführt hatte.
    „Das Mädchen muß insgeheim eine unbewußte Conroyanerin sein“, sagte er laut in die Luft, war jedoch so geistesgegenwärtig, sofort eine Ergänzung an den Pultomaten zu richten, die es ihm untersagte, die Bemerkung zu speichern.
    Wer war diese Lyla Gay überhaupt, deren Reputation Ariadne dazu veranlaßt hatte, eine langwierige und ohne Zweifel heikle Diskussion mit Mogshack durchzustehen? Er besaß eine vage, ganz allgemeine Vorstellung von dem, was Pythonessen angeblich taten, und davon, warum die Leute ihnen dabei gerne zusahen. Man konnte schwerlich im Amerika des 21. Jahrhunderts leben, ohne unter seiner Bekanntschaft eine Handvoll von Pythoness-Fans zu haben – gar nicht zu reden von HiPsi-Fans, Heinzelmännchen-Anbetern und sogar Leuten, die sich noch weiter außerhalb des überlieferungsgemäßen westlichen Psychorbits herumtrieben. Aber er hatte noch nie eine Pythoness bei der Arbeit gesehen, und der Name dieses Mädchens sagte ihm nichts, trotz Ariadnes Behauptung, es zähle zu den größten Talenten auf diesem Gebiet. Er entzog dem Raum, in dem die Pythoness auftreten sollte, seine Aufmerksamkeit, und schaltete von einer zur anderen der über dreitausend Kameras um, an die er mit seinem Apparat Anschluß besaß, fragte sich, ob es ihm gelingen könne, sie beim Weg darauf zu entdecken.
    Kurze Zeit später bekam er einen dunkelhaarigen jungen Mann in Begleitung eines Mädchens mit kugelsicherem Schutzschleier zu sehen; das Paar benutzte die FluviPiste in der entsprechenden Richtung. Vermutlich waren das die Pythoness und ihr Mackero – ja, sie mußten es sein, denn an der nächsten Kreuzung erwartete in Übereinstimmung mit Mogshacks Vorstellungen von guten Manieren Ariadne persönlich die beiden, um sie zu begrüßen. Jene Vorstellungen empfahlen Leuten, die wohlhabend genug waren, um sich Ungestörtheit leisten zu können, Gönnerhaftigkeit gegenüber Menschen, für die das nicht zutraf,

Weitere Kostenlose Bücher