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Das Gottschalk-Komplott

Das Gottschalk-Komplott

Titel: Das Gottschalk-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Klinik endlich zu verlassen.
    Aber jetzt war nicht der rechte Zeitpunkt, um diese Angelegenheit voranzutreiben. Lyla hatte nunmehr ihren Rundgang unter den Zuschauern beendet und kehrte zurück an den Rand der für sie ausgelegten Matte. Sie nickte Dan zu, der in der Nähe wartete, den Recorder bereit, und griff in die Hüfttasche ihres Nix-Trikots. Sie brachte ein kleines, flaches Fläschchen zum Vorschein, auf das Reedeth nur einen flüchtigen Blick erhaschte, und schüttelte eine winzige rote Kapsel heraus. Flamen berührte mit der Zunge den Schaltarm seiner Kameras und filmte sie in Naheinstellung, als sie die Pille schluckte.
    Worum es sich dabei auch handeln mochte, Reedeth war sich nicht darüber im klaren gewesen, daß Pythonessen irgend etwas einnehmen mußten, um sich zur Trance zu verhelfen. War das ein marktübliches Produkt oder ein auf nahezu alchimistische Weise nach einer Geratewohl-Formel hausgebrautes Zeug? Erneut erkundigte er sich bei seinem Pultomaten, und sobald er die Antwort bekommen hatte, musterte er Lylas schlanke Gestalt in krasser Ungläubigkeit.
    Für ein oder zwei Augenblicke stand sie in steifer Haltung kerzengerade da, die Augen geschlossen. Einen Herzschlag später fiel sie auf die Matte und begann sich zu winden. Sie bäumte sich auf wie im Orgasmus. Speichel flockte aus ihren Mundwinkeln, als sie zu keuchen und japsen anfing. Ihre Hände verkrampften sich zu Klauen, mit denen sie in der Luft umherschlug, als bekämpfe sie – kratz, kratz, kratz! – einen unsichtbaren Angreifer.
    Die Zuschauer, auch Reedeth, obwohl er auf dergleichen gefaßt gewesen war, weil sein Pultomat ihn über den Gebrauch von SibyllPillen in Kenntnis gesetzt hatte, verkrampften sich beunruhigt. Die Muskeln des Mädchens, die sich heftiger kontraktierten als bei einem Epileptiker, schienen den Körper an den Gelenken auseinanderreißen zu wollen; die Brüste wogten am Oberkörper wie zwei Bojen bei starkem Seegang. Flamen filmte weiter, aber man sah seiner Miene an, daß er bezweifelte, diese Aufnahmen senden zu können. Falls er es wagte, würden Beschwerden von Neopuritanern fast mit Gewißheit dazu führen, daß man ihn abservierte.
    Nur Dan Kazer stand unbeeindruckt dabei, schaute alle paar Sekunden auf die Armbanduhr an seinem linken Handgelenk, einen Finger der anderen Hand auf der Pausentaste seines Recorders. Flamen schwenkte die Kameras auf ihn ein, gerade rechtzeitig, um den erwartungsvollen Blick festzuhalten, als er den Finger von der Taste nahm, und fast im gleichen Moment riß Lyla plötzlich die Augen auf, die nun zwei tiefen Lichtschächten bis in die entlegensten Regionen ihres Unterbewußtseins glichen. Aus ihrem Mund drangen in fürchterlich lauter, roher, männlicher Baritonstimme fremdartige Wörter.
    „Ghnothe safton!“ brüllte sie.
    „Das ist kein Englisch!“ schnauzte Reedeth seinen Pultomaten an. „Was ist das, Hebräisch?“
    „Altgriechisch mit demotischem Akzent“, sagte der Pultomat in leicht lehrerhaftem Tonfall. Reedeth hatte sich schon oft gewünscht, dem selbstgefälligen Blödmann, von dem die linguistische Sektion der Datenbanken programmiert worden war, einmal gehörig die Meinung sagen zu können. „Es handelt sich um den Wahlspruch vom Tempel des Delphischen Orakels mit der Bedeutung ‚Erkenne dich selbst!’“
    Inzwischen hatte sich Lyla, nachdem ihre Muskelkrämpfe vorüber waren, ohne Benutzung ihrer Hände aufgesetzt, die Augen noch stark geweitet und ins Nichts gerichtet. Sie überkreuzte die Beine, kehrte sich, indem sie ihren Körper ausschließlich mit Hilfe der Zehen auf der Matte drehte, dem Publikum zu, legte dann in andeutungsweiser Nachahmung der indischen Namasthi-Gebärde vorm Gesicht die Handflächen aneinander.
    Eine Pause entstand. Schließlich wandte sich Ariadne fast im Flüsterton an Dan, aber sie hielt sich dicht genug an einer Wand auf, so daß Reedeth dank der Übertragung hören konnte, was die beiden sprachen. „Müssen wir ihr jetzt Fragen stellen?“
    „Bei manchen Pythonessen ist das erforderlich“, entgegnete Dan ebenso leise. „Aber nicht bei Lyla. Wie ich Ihnen schon während unserer Verhandlungen gesagt habe, das Mädchen ist verflucht unwahrscheinlich fähig.“
    Ungeachtet dessen, was sie nun orakeln mochte, über eines besaß Reedeth bereits vollkommene Klarheit. Lyla Clay mußte einer der bemerkenswerten Menschen auf der ganzen Welt sein, zu etwas in der Lage, das er sich nie hätte träumen lassen. Wenn die Angaben des

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