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Das Gottschalk-Komplott

Das Gottschalk-Komplott

Titel: Das Gottschalk-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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verweigern sie die weitere Behandlung, bis jemand sich findet, der compos mentis ist und bereit, als Bürge einzuspringen. In dieser wohlhabendsten Gesellschaft der gesamten Menschheitsgeschichte verhalten wir uns wie knickrige Geizhälse, die die Aussicht entsetzt, bloß auf eine einzige Münze zu verzichten.
    Indem wir uns damit abfinden, daß sich hinterm lächelnden Gesicht des Kaufmanns, dem ernsten Mitgefühl des Arztes, der formellen Autorität des Bürokraten die unbeschreibliche Macht eines Megahirn-Computers verbirgt, fühlen wir uns naturgemäß weit genug herausgefordert, um nach eigenen Machtsymbolen zu streben, und die billigsten davon und zugleich jene mit – wie man sagen könnte – der größten Eindruckskraft sind zweifelsfrei Waffen.
    Zweimal während meines bisherigen Lebens habe ich miterleben müssen, wie mein Heimatland in der Gefahr schwebte, in Fetzen zu gehen wie ein Reifen, dem das Profil davonfliegt: zuerst anläßlich der Schwärzen-Rebellionen anfangs der achtziger Jahre, dann bei der Kriegspsychose in den neunziger Jahren. Das erste dieser Geschehnisse hat unsere Sprache um ein neues Wort bereichert, das zweite hat es uns unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt. Das von Marcantonio Gottschalk begründete Kartell ist wohlüberlegt nach dem Vorbild einer Familie strukturiert worden – der kleinsten sozialen Zelle, von der man meint, daß man sie schützt, wenn man gepanzerte Bildfenster statt herkömmlichem Glas installieren läßt, wenn man im Vorgarten so liebevoll Minen eingräbt, wie man auch die Rosensträucher pflanzt. Und diese Methode hat sich als psychologisch außerordentlich wirksam erwiesen.
    Heutzutage wechselt die Normalfamilie ihr Waffenarsenal so oft wie unsere Großeltern das Auto; sie läßt ihre Granaten genauso nachschauen wie die Feuerlöscher; Mann, Ehefrau und minderjährige Kinder gehen zu Schießübungen, wie man früher zum Bowling ging. Mit aller Selbstverständlichkeit nimmt man an, daß es noch am Abend, am folgenden Tag oder sonst irgendwann nötig sein wird, einen Menschen zu töten.
    Neben der Flucht vor der Rationalität und der Vergesellschaftung der Paranoia macht sich ein dritter Faktor bemerkbar, der mit den beiden anderen Faktoren verzahnt ist. Wohin wenden, sobald die gewohnten Quellen der Ermutigung uns im Stich lassen? Der Mensch braucht irgendeine Art von psychologischem Rettungsanker. Das war immer so. In manchen Ländern ist es möglich geblieben, das öffentliche Image einer Regierung beizubehalten, die dies Bedürfnis deckt, aber hier bei uns stand das gänzlich außerhalb des Machbaren. Einmal war die Mehrheit aller Amerikaner stets mißtrauisch gegenüber eingreifenden Maßnahmen der Regierung. In einem großen Land ist die Regierung immer weit fort, und unsere geistigen Wurzeln gründen viel tiefer in der Vergangenheit als das Aufkommen der modernen, superschnellen Kommunikationsmittel. Zum anderen macht die ungeheure Vielschichtigkeit unserer Gesellschaft es dem einzelnen unmöglich – wie gutwillig er auch sein mag –, in seiner Amtsposition wesentliche Reformen in die Wege zu leiten – das Gewicht der administrativen Trägheit, die dem entgegenwirkt, ist viel zu groß. (Außerdem haben gutwillige Leute kein Interesse mehr an öffentlichen Ämtern. Sie sind zu gescheit, um sich der Gefahr von Attentaten auszusetzen, und nur verblendete Idioten wie unser gegenwärtiges Staatsoberhaupt lassen sich noch dazu hinreißen, hohe Ämter zu bekleiden. Anständige Menschen verlangen nicht nach Macht.)
    Was jedoch dieser Hoffnung, nämlich auf eine glaubwürdige Regierung, den letzten Sargnagel einhämmerte, waren die Schwärzen-Rebellionen in den achtziger Jahren, die zeigten, daß die Bundesbehörden nicht einmal die Fähigkeit besaßen, in weiten Teilen der Städte die Ordnung zu gewährleisten, bis hin zu und einschließlich Washington DC.
    Religionsgemeinschaften versagten auf nahezu spektakuläre Weise ebenso – gemeinsam mit der Regierung –, als sich immer deutlicher erwies, daß die sogenannten ‚gottlosen Feinde* unseres Lebensstils sich nicht nur auf viel mehr Loyalität stützen konnten, sondern zudem ihre vergleichsweise beschränkten Ressourcen besser zu nutzen verstanden.
    Die Menschen blieben mit buchstäblich nichts anderem als dem Götzen namens Computer allein, in den weniger einfallsreiche Personen nunmehr ihren Überschuß an anderweitig wertlosem Glauben zu investieren geneigt sind, und eine Handvoll Leute, die man

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