Das Gottschalk-Komplott
in den tiefen Schichten der Erdkruste – nicht allein Erschütterungen größeren Maßstabs erzeugen, sondern wirkliche Brüche hervorrufen, deutlich genug, um sich in ihrer Einzigartigkeit abzuheben: Ereignisse, die man als psychologischen Erdrutsch bezeichnen könnte.
Die verblüffendste dieser drei hauptsächlichen Ursachen ist ohne Zweifel die unvorhergesehene Ablehnung von Rationalität, die unter uns Verbreitung gefunden hat. Möglicherweise läßt sich anführen, daß sie in solchen Phänomenen wie der Übernahme von Rassenwissenschaft, Hörbigers präwissenschaftlicher Welteislehre und anderer inkongruenter Lehren durch jene technisch brillante Subkultur, die man Nazis nannte, ihre Schatten vorauswarf. Aber erst gut zwei Generationen später setzte Irrationalität sich als abgerundetes Prinzip durch, und es stellte sich klar heraus, daß die liebste Ambition einer sehr großen Anzahl von Angehörigen unserer Spezies dem Ziel galt, die Kraft des Verstandes vollkommen zu verwerfen – im Idealfall die gleiche Art von Leben zu genießen wie eine Laborratte mit Elektroden in den Reizzentren des Hirns, die innerhalb der Reichweite von Futter und Wasser mit Freuden verhungert.
Rund sechzig Prozent der Patienten, die sich zur Zeit in den Psychiatrien Nordamerikas aufhalten, sind darin, weil sie sich alle Mühe gegeben haben, ihr Ziel mit der Hilfe psychedelischer Drogen zu erreichen.
Aber das ist keineswegs die einzige Ebene, auf der man die Wirkungen des zur Debatte stehenden Prozesses nachzuweisen vermag. Es ist allgemein bekannt, daß eine der Wachstumsindustrien des einundzwanzigsten Jahrhunderts das Zauberei- und Hausgöttergeschäft ist, an erster Stelle vertreten durch das Multimilliardenunternehmen Conjuh Man AG, das sämtliche Negro-Enklaven und einen Großteil der einstigen Kolonialländer fest in der Hand hält und mit solchen Tochterfirmen wie Heinzelmännchen AG rasch in vorgeblich hochgeistigere Gebiete expandiert.
Es ist ohne weiteres völlig klar, woher ihr schneller und anhaltender Erfolg rührt. Unsere Gesellschaft wird nicht länger von Individuen gelenkt, sondern von Amtsinhabern; ihre Komplexität ist so groß, daß die Situation des Durchschnittsbürgers sich durchaus mit der eines Stammesmitglieds in der Wildnis vergleichen läßt, dessen Horizont von der Ausdehnung eines einzigen Tals begrenzt wird, für den das Wissen um den Zyklus der Jahreszeiten eine hart erkämpfte intellektuelle Errungenschaft ist und dessen einzig mögliche Reaktion beim Auftreten von Trockenheit, Flut oder verdorbener Ernten daraus besteht, böse Geister zu hypothetisieren, die man durch Opfergaben und auch Selbstaufopferung besänftigen muß. Der Allgemeinheit sind keine ökonomischen Äquivalente der Wettervorhersagen zugänglich. Die Daten, die es erlauben würden, dergleichen über die TV-Sender auszustrahlen, werden eifersüchtig von den Priestern gehütet, die Firmengöttern dienen, und alle Außenseiter sind dazu verurteilt, sich gewissermaßen mit den physisch spürbaren Konsequenzen von rätselhaft unbegreiflichen Jahreszeiten abzufinden. Man gehe in Urlaub; wenn man zurückkommt, wird man entdecken, daß wieder irgendeine städtische Landmarke so spurlos verschwunden ist, als hätte ein Erdbeben einen Berg eingeebnet …
Mit diesem ersten ist der zweite Faktor eng verknüpft, den man vielleicht die Vergesellschaftung der Paranoia nennen kann. Innerhalb nur einer Generation ist die individuelle Besorgnis um unser Unvermögen, es mit den geballten Hilfsmitteln computerisierter Unternehmen, Regierungsstellen und anderen öffentlichen Institutionen aufzunehmen, im Anschwellen des Vertragsrechts und dem Aufblühen des Vertragswesens zu einer größeren Industrie als der Werbung resultiert. Ein einfaches Kaufgeschäft kann sich zu einem wochenlangen Gerangel unter Mitwirkung von drei, vier oder mehr verschiedenen computerisierten Beratern an diesem einen Kaufvertrag entwickeln. Für alles sind Verträge erforderlich. Nur um einen Zahn plombiert zu bekommen, muß man Einstufungen vornehmen lassen, Erörterungen durchstehen, Verbesserungen durchfechten und zu guter Letzt ein Dokument von zwanzig oder dreißig Seiten Länge unterschreiben. Eltern schließen mit Schulen Verträge über die Bildungsvermittlung an ihre Kinder ab; Ärzte gehen Verträge mit ihren Patienten ein, und falls die Patienten zu krank oder geistig zu beeinträchtigt sind, um einer computerisierten Prüfung der Rechtslage standzuhalten,
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