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Das Gottschalk-Komplott

Das Gottschalk-Komplott

Titel: Das Gottschalk-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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unter die aktuelle Einkaufsliste. Gegenwärtig war nicht einmal Meskal auf Lager, und sie mochte sich momentan der Aufgabe einer Neuzubereitung nicht stellen. Keine alkoholischen Getränke waren da, keine Joints, nichts in der Art. Sie dachte an Mikki Baxendale in ihrer luxuriösen Atelierwohnung und empfand eine Anwandlung des Mitgefühls für Dan, der so dicht vorm großen Geld gestanden hatte.
    Aber das Bett war noch nicht repariert, infolgedessen begann sie gleich wütend auf ihn zu werden. Wie eine schlecht ausgestopfte Puppe ließ sie sich in einen geflickten Aufblas-Sessel sinken, lehnte sich zurück und starrte verdrossen empor zur Zimmerdecke.
    Niemals zuvor hatte sie sich nach einer Sitzung so wie jetzt gefühlt. Normalerweise war sie aufgeregt, erfreut über die Anklänge von wichtigen Bedeutungen, die im Wortmaterial ihrer Orakel zum Vorschein kamen, stets bereit, die halb im Gewirr unterbewußter Assoziationen verborgenen Hinweise zu verfolgen, und gegen Abend – oder sonst irgendwann danach – auch sexuell sehr ansprechbar.
    Versuchsweise betastete sie ihren Körper. Ihr war, als berühre sie einen Leichnam.
    Also wandte sie sich erneut dem Gleis ihrer Ratlosigkeit zu, froh darum, daß die HappyPillen ihre Bedrücktheit wenigstens ein bißchen behoben hatten, so daß sie dazu imstande war, die Mühe als lohnend zu empfinden, sich zu konzentrieren und nachzudenken.
    Wenn jemand unter den Zuschauern sie so stark beeinflußt hatte, daß daraus für sie eine Echofalle geworden war, lag die Annahme nahe, daß es sich bei dieser Person um eben jene handelte, die sie meinte, als sie sagte, sie sei geistig gesünder als der Klinikdirektor. Wer konnte das sein? Welche Art von Patient konnte sich in der Ginsberg-Klinik aufhalten, nicht weil er verrückt war, sondern geistig in anomalem Maße gesund?
    Es hatte keinen Zweck, befand sie nach einiger Zeit, daß sie sich darüber den Kopf zerbrach. Sie war nie fähig gewesen, ihre Orakel ohne fremde Hilfe zu analysieren; sie wünschte, Dan wäre da, um sie mit ihm durchsprechen zu können, immer wieder die Aufnahmen anzuhören, so daß die Worte sich ihrem Verstand einprägten. Wohin konnte dieser blödsinnige Mack bloß verschwunden sein?
    Um sich zu beschäftigen, sprang sie schließlich auf und begann wie ein Wirbelwind mit dem Poly Reiniger durchs Appartement zu eilen, der anstandslos allen Staub und Dreck verschlang. Die Morgenpost hatte sich inzwischen im schmierigen Rückstand der verfallenen Bücher auf dem Gabenteller vorm Heinzelmännchen-Schrein gänzlich zersetzt; sie klaubte alles mit den Händen auf und warf es in die Toilette. Als sie zum viertenmal abziehen wollte, versagte die Wasserspülung, und in der Toilettenschüssel klebte zäh der letzte gräuliche Klumpen.
    Plötzlich ergriff unbeherrschbare Wut von ihr Besitz. Sie lief zurück zum Heinzelmann und packte ihn an den Segelohren. Es handelte sich um ein Exemplar des Modells YJK, für Personen des außerstandardmäßigen Klientenkreises – wie Pythonessen und andere besondere Begabungen – am besten geeignet … jedenfalls dem beigefügt gewesenen Werbungsschreiben zufolge. Das Heinzelmännchen ähnelte einem bärtigen Alfred E. Neumann und hielt als Symbol des Glücks eine Angel in der Hand.
    „Glück und Wohlstand!“ fauchte sie es durch die Zähne an. „Lügner-Lügner- Lügner! Verfluchter Lügner !“Bei jedem Wort zerrte sie mit beiden Händen an der Figur, in der Hoffnung, sie irgendwie demolieren zu können, aber das weiche Plastik nahm immerzu wieder seine vorherige Form an; nur die Angel konnte sie zu einem laschen Fragezeichen verbiegen.
    „Na, dann werden wir dich …!“ stieß sie hervor und stampfte hinüber zu dem einen aufmachbaren Fenster. Sie riß es weit auf und wollte den Heinzelmann die mehr als dreißig Meter hinunter auf die Straße werfen, doch im selben Augenblick zuckte aus der Dunkelheit ein Laserstrahl heran und fuhr in den Fenstersturz, überschüttete sie mit Staub und Betonsplittern.
    Lyla keuchte auf, umklammerte das Heinzelmännchen wie ein Kind seine Puppe und ließ sich der Länge nach zu Boden fallen. Für ein Weilchen war sie sich keiner anderen Dinge bewußt als der Verkrampfung ihrer Muskeln, der Aufdringlichkeit ihres eigenen Entsetzens und ihres wuchtigen Herzklopfens. Vor ihrem geistigen Auge sah sie unablässig nur sich selbst zusammengesunken überm Fensterbrett liegen, wie es hätte kommen können, wäre der Laserschuß richtig gezielt gewesen,

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