Das Gottschalk-Komplott
Sendung zusammengestellt hatte. Der Fall Lenigo war hoch bewertet gewesen, aber er hatte das als lächerlich abgetan, und kaum eine halbe Stunde nach seiner Mittagssendung funkten die Knieblanks-Sender mit Vergnügen Sondermeldungen in den Äther, versammelten sich am Kennedy-Großflughafen zu Tausenden die X-Patrioten.
„Ich muß dieser Sache auf den Grund kommen!“ spornte er sich laut an. „Ich meine, niemand nimmt die Regierung heutzutage noch ernst, aber so was ist doch heller Wahnsinn.“
Halb verlegen, weil er solche abgegriffenen Plattheiten von sich gegeben hatte – wenn auch nur unter den eigenen Ohren –, nicht einmal noch partyfähig, verfiel er erneut in Schweigen, zupfte an seinem Bart. Nichtsdestoweniger, die Frage blieb bestehen: Was mochte die Einreisebehörde dazu bewogen haben, Lenigo ein Visum zu genehmigen? Erpressung? Nichts anderes konnte es gewesen sein, und zwar im zeitgenössischen, engeren Sinne, daß nämlich eine der Niebs-Enklaven ein Messer am Hals der Bundesregierung sitzen hatte. Welcher Art, wer, wo? Blackbury? Unmöglich. Bürgermeister Blacks Paranoia steigerte sich immer mehr, wie sein Hinauswurf Pedro Diablos aus rein genetischen Gründen und ausschließlich auf Uys’ Wort nur zu deutlich bewies …
Für kurze Zeit beschäftigte er sich wieder mit dem Problem, über das er schon beim Frühstück nachgedacht hatte: ob er, da Diablo heute im Büro aufkreuzen sollte, aus Uys’ Aufenthalt in den Vereinigten Staaten eine Story machen könne oder besser darauf verzichtete. War Campbell gutwillig genug, um eine Indiskretion in bezug auf das zu dulden, was er vertraulich im Zuge der Gegenleistungen für die Kooperation in der Angelegenheit Diablo geäußert hatte?
Und was war dieser Diablo überhaupt persönlich für ein Mann? Als Gestalt des öffentlichen Lebens besaß jeder Insider des Medienbetriebs von ihm ein vorgefaßtes Bild – das eines brillanten, rücksichtslosen, uneingeschränkt destruktiven Propagandisten, dessen videoaufgezeichnete Programme man in Afrika und Asien laufend übernahm. Aber das war im wesentlichen irrelevant. Damals in der Pionierära der Medien, fast unmittelbar nach dem kruden, primitiven, von Dr. Goebbels beherrschten Rundfunkzeitalter, sollte jenes Instinktgenie der Übergangsperiode, Joe McCarthy, einmal einen früheren Bekannten, nachdem er für dessen Entlassung von der Arbeit, den Verlust seiner meisten Freunde und ausgleichshalber die Aufmerksamkeit von mehreren Millionen neuen Feinden gesorgt hatte, mit dem Ausruf begrüßt haben: ‚Ich habe dich in letzter Zeit wenig gesehen, bist du mir aus dem Weg gegangen?’
Flamen nickte. Ja, er hatte eine Vorstellung davon gehabt, dieser Mann, nach welchem Schnittmuster die Zukunft beschaffen sein würde: wie die Schere von Öffentlichkeit/Privatleben, Nieb/Blank, Reich/Arm, Links/Rechts, Konformist/Nonkonformist und allem anderen immer weiter auseinanderklaffte. Aber nachdem Diablo so lange mit Blackburys Politik identifiziert worden war, konnte er da in seinem Innern jene essentielle Unterscheidung bewahrt haben, die es ihnen ermöglichen würde, sich als Berufskollegen auf gemeinsamer Ebene zu begegnen?
Er zuckte mit den Achseln. Das blieb abzuwarten, weil nur die Zeit es erweisen konnte, und trotz aller Verzögerungen, die er in Kauf nehmen mußte, sah es so aus, als solle er lediglich mit zwanzig Minuten Verspätung im Etchmark-Tiefkomplex eintreffen.
Und ob es ihm gefiel oder nicht, er hatte keine Wahl, er mußte während der restlichen Frist bis zu seiner Ankunft über das Rätsel von Lenigos Einreisegenehmigung nachgrübeln. Erpressung angenommen, aber Blackbury gestrichen, was war übrig? Zweifelsfrei mußte eine wohlhabende Enklave dahinterstecken, und das hieß, eine mehr nördlich gelegene … Chikago? Nein, Quatsch. Vielleicht eine mit besonders gewitzten politischen Denkern …
Plötzlich schnippte er mit den Fingern, starrte – aufgebracht über die eigene Begriffsstutzigkeit – die Platte mit dem Markenkennzeichen des Herstellers auf der Motorhaube seines Skimmerautos an. Detroit, natürlich! Es mußte Detroit sein! Die einzige Nieblanks-Enklave, die absolut dazu imstande war, der Bundesregierung die Pistole auf die Brust zu setzen, die Stadt, der man den Spitznamen ‚Schwarzes Südafrika’ verliehen hatte, um ihre Bereitwilligkeit zu brandmarken, mit welcher sie mit dem Feind Handel zu treiben pflegte – genauso wie die Afrikaner es jahrzehntelang getan hatten –,
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