Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gottschalk-Komplott

Das Gottschalk-Komplott

Titel: Das Gottschalk-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
Vom Netzwerk:
Basin Street {10} : Feierlicher Anlaß der Begegnung zwischen Personen ungleicher Hautpigmentierung
     
    Nur Sekunden nachdem Flamen sein Büro im Etchmark Tief komplex betreten hatte – dem Trendmacher der Großbauten der Jahrhundertwende, die man so tief hinab in die nachgiebige Erdkruste grub, wie ältere Gebäude in die Höhe getürmt worden waren, um das Grundgestein des Manhattener Schiefers in einem Gebiet zu erreichen und somit als Fundament zu nutzen, wo er stark abfiel –, erhellte sich der KommNetz-Schirm und zeigte Priors Gesicht.
    „Ah, Matthew, da bist du ja! Bist du aufgehalten worden?“
    „Natürlich bin ich aufgehalten worden!“ schnauzte Flamen. „Alles wird mal wieder in alle vier Himmelsrichtungen umgeleitet. Ich dachte schon, ich käme niemals an. Ist Diablo aufgekreuzt?“
    „Selbstverständlich. Er sitzt hier in meinem Büro. Leider habe ich ihn nun auch etwas warten lassen müssen, aber ich glaube, es ist besser, er lernt dich kennen, bevor wir … äh … geschäftlich werden.“
    Vorübergehend besserte Flamens Laune sich ein wenig; es amüsierte ihn stets, wenn Prior einem Ausdruck, den er als unfein betrachtete, in einer Anwandlung von Befangenheit diesen leicht mißbilligenden Tonfall verlieh. Diese Redewendung konnte auf ein oder zwei Jahrhunderte respektablen Gebrauchs zurückblicken, aber für Prior war sie nichtsdestotrotz nicht ganz koscher.
    „Prächtig, dann bring ihn rein“, sagte er laut.
    Da war er nun: der große Augenblick. Herein kam, geführt vom zappligen Prior, der gefeierte Pedro Diablo, in seinem Auftreten befremdlich schüchtern (das konnte allerdings an dem Schock liegen, seiner vertrauten, lebenslangen Umgebung entwurzelt worden zu sein), und sein Blick schweifte nach allen Seiten durch die Räumlichkeit, so daß die Augen viel von ihrem Weiß zeigten. Ein ziemlich gutaussehender Mann, jünger als von Flamen angenommen: bestimmt noch zwischen dreißig und vierzig. Aber natürlich lag schon ein Jahrzehnt des Ruhms hinter ihm; das mußte die falsche Perspektive erklären. Er war hager, auf angespannte Weise nervös, Haare und Bart zu fast afrikanischen Spiralen gekräuselt, statt Gewänder, wie in Blackbury üblich, trug er New Yorker Mode – einen in Grün und Schwarz gestreiften Straßenanzug, grüne Schuhe … Flamen machte seine Bestandsaufnahme von ihm, als sie sich die Hände schüttelten, und er setzte sich, wie man es ihm anbot, murmelte ein paar Floskeln, was für eine Freude ihm diese Zusammenkunft bereite, und daß er die Matthew-Flamen-Show oft gesehen habe.
    Irgendwie jedoch, trotz etlicher Stunden der Schlaflosigkeit in der vergangenen Nacht, in denen Flamen gehofft hatte, über die Frage Pedro Diablo erhöhte Klarheit zu gewinnen, war es dahin gekommen, daß er nun ohne einen festen Plan hinsichtlich seines heutigen Vorgehens vor Diablo stand. Nach den Formalitäten des Bekanntmachen ergab sich ein merklich gedehntes Schweigen, das Prior sichtlich mit Unbehagen erfüllte. Gerade hatte er sich geräuspert und wollte anscheinend einige weitere dümmliche Unverbindlichkeiten zum Geplauder beitragen, da beschloß Flamen – beinahe zu seiner eigenen Verblüffung –, jedes diplomatische Drumherum außer acht zu lassen.
    „Tja!“ sagte er und schaute Diablo unverwandt ins Gesicht. „Ich nehme an, es paßt zu Ihren Vorstellungen von der Blanks-Gesellschaft, sich auf einmal im Resultat einer Bestechung hier wiederzufinden, oder?“
    Priors Kiefer sackte herab. Flamen schenkte ihm ein honigsüßes Lächeln. „Halt dich bloß raus, Lionel“, sagte er. „Leider bin ich heute nicht in der richtigen Stimmung für Höflichkeiten. Ich habe mich auf eine Bestechung eingelassen, und ich muß sagen, ich schäme mich dafür.“
    „Aber jemand mit Mr. Diablos anerkanntem Talent auf unserem Gebiet …“
    „Oh, sicher! Ich hege gewaltigen Respekt vor seiner Arbeit. Ebenso respektiere ich allerdings seine wohlbekannte Unduldsamkeit gegenüber aller Heuchelei und Doppelzüngigkeit. Ich wollte, ich wäre nur halb so unbeirrbar.“
    „Sehen Sie, ich erwarte, daß ich von Ihnen lerne, wie man’s aufgibt, unbeirrbar zu sein“, erklärte Diablo leise. „Was mir in den letzten achtundvierzig Stunden passiert ist, überfordert jede Unbeirrbarkeit. Na gut, nennen Sie meine Überstellung eine Bestechung – ich gehe davon aus, daß es eine Art von Privileg ist, ein Preis zu sein, mit dem man bei jemandem wie Ihnen etwas erlangen kann.“
    Wer hätte das gedacht?

Weitere Kostenlose Bücher