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Das Gottschalk-Komplott

Das Gottschalk-Komplott

Titel: Das Gottschalk-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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noch funktionsfähig gewesen.
    Sie konzentrierte sich auf ihr Gehör und stellte fest, daß die Wirkung der HappyPillen verschwunden war und sie wieder normal zu hören vermochte, und da vernahm sie vom Korridor ein Stöhnen und irgendeinen Laut ohne Sinn, und gleich darauf ertönte ein Pochen an die Tür, gefolgt vom Ruf einer Stimme, die sie wiedererkannte. „Miss Clay!“
    Sie nahm die Waffe zur Hand, spähte hinüber zur Wohnungstür, um sich zu vergewissern, daß die Falltür bereithing.
    „Miss Clay! Äh … hier ist Bill. Heute morgen habe ich mit Ihnen gesprochen, erinnern Sie sich? Ich habe hier Mr. Kazer, er ist verletzt!“
    Was?
    Mit langsamen Regungen, als bewege sie sich durch brusthohes Wasser, ging sie zur Wohnungstür, arretierte die Falltür, legte die Sicherheitskette vor und blickte durch einen Spalt hinaus, die Pistole im Anschlag; vor der Tür stand ein sehniger junger Mann mit ernster Miene, gekleidet in einen schwarzen Overall, und hielt mit beiden Armen Dan aufrecht, dem Blut aus dem Leib rann, troff, strömte, die Beine hinab, eine Pfütze bildete, alles besudelte, beschmierte, in der schwülen Nachtluft stank.
    Er hob schwach eine Hand, um sich an den Türrahmen zu lehnen, doch infolgedessen ließ sich die Tür nicht weit genug schließen, um die Sicherheitskette entfernen zu können, so daß der Gottschalk ihn ein Stück weit zurückziehen mußte, und dabei entfuhr Dan ein schwächlicher Schrei, und als Lyla nach scheinbar endlosem Gefummel zuletzt die Tür öffnete, fiel er fast einwärts. Sie und Bill führten ihn gemeinsam zum schadhaften Bett und legten ihn hin; zuerst wollte er sich nicht ausstrecken, so daß sie die Bauchverletzung nicht in Augenschein nehmen konnten, aber schließlich überwand er den Schmerz soweit, daß es ihm mit ein wenig Hilfe gelang, sich auf den Rücken zu wälzen, und da konnten sie die Wunde sehen, einen gewaltigen Schlitz, aus dem die Umrisse innerer Organe zu quellen drohten. Seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht war weiß wie Papier, und einen Moment später stellte er das Atmen ein.
    „Holen Sie ’nen Arzt!“ stieß Lyla mit unglaublicher, ungeheuerlicher Anstrengung durch ihren Brechreiz hervor.
    „Heute nacht kommt kein Arzt aus dem Bau“, sagte Bill. „Eine Ausgangssperre ist verhängt worden.“
    „Aber wir können ihn doch nicht einfach sterben lassen!“ Auf dem Absatz wirbelte Lyla herum, lief ins Bad, suchte nach einem Desinfektionsmittel, Verbandszeug, irgend etwas von Nutzen, kehrte mit leeren Händen zurück und in Tränen aufgelöst, die ihr mit widersinnig trockenem Kitzeln aus den Augen rannen, als kröchen Fliegen ihr die Wangen hinab.
    „Leider muß ich sagen, er ist schon tot“, meinte der Gottschalk und ließ das Handgelenk los, an dem er den Puls kontrolliert hatte.
    „Was?“
    „So sehr ich’s bedaure.“ Der Gottschalk, selber bleich, mied ihren Blick, betrachtete das Blut, das seinen schwarzen Overall bespritzt hatte. „Er muß mit einer Axt angegriffen worden sein, schätze ich, oder einem Säbel. Es war ein Wunder, daß er es überhaupt noch geschafft hat, in den Lift zu gelangen und hier in diesem Stockwerk so laut zu rufen, daß ich ihn hören konnte.“
    Lyla stand da wie eine Wachsfigur, vernahm die Worte, ohne sie zu begreifen.
    „Ach, würden die Leute nur die Warnungen ernst nehmen, die wir ständig aussprechen“, fügte der Gottschalk kummervoll hinzu, indem er den Kopf schüttelte. „Er hätte eine Waffe mitführen sollen – er hätte dazu in der Lage sein müssen, sich zu wehren! Man braucht kein Training, um mit Sachen wie beispielsweise einem Blazor umzugehen, und wenn man so was hat, kann einem keiner auf den Pelz rücken, der bloß mit einer Axt oder einem Säbel herumläuft.“
    „Was sagen Sie da?“ fragte Lyla sehr gedehnt nach.
    „Ich habe gesagt, wäre er bewaffnet gewesen, dazu imstande, sich zu verteidigen …“ Verspätet kam dem Gottschalk die Bedeutung von Lylas Tonfall zu Bewußtsein, und er unterbrach sich verstört mitten im Satz.
    „Hinaus! Sie sind ja ein Leichenfledderer. Ekelhafter Kerl! Sie sind kein Mensch …“
    „Nun hören Sie aber mal, Miss …!“
    „Sie sind ein Satan!“ Lyla erstickte halb an ihren eigenen Schluchzlauten; normale Äußerungen konnten dem Haß nicht Genüge tun, der sich explosionsartig in ihrem Bewußtsein ausbreitete. Als sie einen Arm um Dan schlang, hatte sie die Pistole auf dem Küchentisch abgelegt; andernfalls hätte sie den

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