Das Gottschalk-Komplott
könnte man sagen, daß der Klinikaufenthalt von jetzt an wenig oder gar nichts an positiver Wirkung bei ihr ausüben kann, so daß eine allmähliche Reakklimatisierung an das Alltagsleben empfehlenswert sein dürfte. Kurz und klar, wir haben uns – unter Berücksichtigung Ihrer vorgestern vorgetragenen Auffassungen – gefragt, ob Sie wohl auf die Vertragsstrafe wegen vorzeitiger Entlassung verzichten würden, wenn wir Ihnen bescheinigen, daß ihre Entlassung in ihrem eigenen, besten Interesse ist …?“
Zunächst bewahrte Flamen Schweigen. Dann lachte er plötzlich rauh auf. „Soll ich das so verstehen, Sie hätten, wäre nicht gestern ich aufgekreuzt, gar nicht gemerkt, daß es ihr besser geht?“
„Natürlich nicht“, entgegnete Reedeth mit Nachdruck. „Sie werden sich gewiß noch daran entsinnen, daß sie gestern früh aufgrund der regulären wöchentlichen Untersuchung zur Grüneinkleidung eingeteilt worden ist. Was ich soeben dargelegt habe, wäre auf jeden Fall spätestens anläßlich der eingehenden monatlichen Gesamtuntersuchung konstatiert worden, in ungefähr zwei Wochen, aber da Ihrerseits so … ah … ungnädige Bemerkungen gefallen sind …“ Er hob die Schultern. „Wir haben eine außerplanmäßige Untersuchung vorgenommen, das ist alles.“
„Ihr Vorschlag könnte nicht zufällig damit zusammenhängen“, mutmaßte Flamen, „daß Sie heute morgen so starken Zugang an angeblich umnachteten Krawallbrüdern hatten?“
„Berücksichtigen wir den Umstand, daß wir uns siebenhundert Zwangseinweisungen beziehungsweise zeitweiligen Zwangseinweisungen widmen mußten, halte ich es für eine bemerkenswert tüchtige Leistung, daß Dr. Spoelstra es geschafft hat, die Untersuchung Ihrer Frau noch zwischenzuschieben“, erwiderte Reedeth. Das war keine Antwort, doch Flamen sparte sich die Mühe, sich länger mit diesem Aspekt zu befassen.
„Na schön, grundsätzlich lautet meine Antwort ja. Unter einer Bedingung. Was soll nun geschehen – wollen Sie, daß ich komme und sie abhole?“
Reedeth schaute verlegen drein. „Das nicht gerade. Sie ist gefragt worden, ob sie mit ihrer Entlassung einverstanden sei, und das ist sie, und ihr Zustand ist tatsächlich gut genug, allerdings unter der Voraussetzung, daß sie in naher Zukunft keinem ungebührlichen Streß unterworfen wird und die von uns verschriebenen Medikamente einnimmt, aber … Na ja, die Wahrheit ist, sie möchte nicht in Ihre Obhut entlassen werden?“
„Was?“
„Leider verhält’s sich so, und angesichts ihrer Krankengeschichte können wir dagegen schwerlich etwas einwenden. Sie hat jedoch ihr Einverständnis gegeben, daß ihr Bruder zu ihrem Vormund bestellt wird, und wenn weder Sie dagegen Bedenken hegen noch er …?“
„Er ist zufällig hier“, sagte Flamen kurz und unumwunden. „Ich frage ihn.“ Er schaltete vorübergehend das Mikrofon des Apparats ab und sah Prior an. „Also?“
„Ich …“ Prior schluckte, als säße ihm ein Kloß im Hals. „Ich denke, ja. Immerhin bin ich ja ihr Bruder! Ich habe Verantwortung, stimmt’s?“ Beim letzten Wort huschte sein Blick hinüber zu Diablo, glitt hastig an ihm vorbei. Gefühllos überlegte Flamen, daß die Antwort womöglich anders ausgefallen wäre, hielte sich im Zimmer kein Fremder auf.
„Geht seinerseits in Ordnung“, richtete er Reedeth aus, der gewartet hatte. „Veranlassen Sie, was erforderlich ist, ich bezweifle nicht, daß mein Schwager dazu imstande sein wird, Celia noch am heutigen Nachmittag abzuholen. Aber ich habe gesagt, ich verzichte nur unter einer Bedingung auf die Vertragsstrafe für vorzeitige Entlassung. Nämlich nur, wenn ich unabhängig überprüfen lassen darf, ob die Behandlung, der sie in der Ginsberg-Klinik unterzogen worden ist, ihr genutzt oder geschadet hat. Sind Sie mit dieser Abmachung einverstanden? Sollte diese Prüfung ergeben, daß sie – entgegen Ihren Behauptungen – nicht in besserem Zustand ist, werde ich allerdings nicht nur auf der Vertragsstrafe bestehen, sondern Sie überdies verklagen.“
Er wartete. „Das muß natürlich erst computert werden“, sagte Reedeth zu guter Letzt, „aber … Ja, doch, ich gehe davon aus, daß wir unseren eigenen Methoden genug Vertrauen entgegenbringen, um diese Bedingung anerkennen zu können. Im Prinzip sind wir also einverstanden.“
Für einen Augenblick geriet Flamens Zuversicht ins Wanken. Ein Versuch, den bundeseigenen Computern im Rahmen der Computerrecherchen zur Eliminierung des
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