Das Grab der Legionen
Deinetwegen. Was man nicht weiß, muß man nicht verantworten. Dir blieben Gewissenskonflikte erspart." Der Senatsbeauftragte schwieg und versuchte einen Sinn in diesen konfus erscheinenden Worten zu erkennen. Er war sich keineswegs schlüssig, was von alldem zu halten war. Der wohlhabende Kaufherr ein numantinischer Spion? Freilich würde dann einiges verständlicher... Wahrscheinlicher aber war, daß der Händler lediglich nach Gewinn gierte, verzeihlich für seinesgleichen.
„Mit diesen Waffen und noch anderen, von denen du anscheinend nichts erfahren hast, bestach ich die Iberer, damit sie meine Fuhrwerke ungeplündert ließen. Wenn jetzt noch Überfälle auf meine Wagen stattfinden, sind doch nie Krieger des Duro-Bundes daran beteiligt. Räuber leben im Hochland, sie schädigen mich, aber mit denen ist nicht zu verhandeln."
Irritiert schwieg Menetius. Das klang einleuchtend, ferner ließ sich nicht ableugnen, daß dieser Mann ihm manchen Dienst erwiesen hatte. Er brauchte Sibalus, wenn er nicht eines Tages - verunglücken wollte, war ihm doch bekannt, daß sein eigener Stellvertreter gegen ihn intrigierte. Vielleicht hatte der einen Keil zwischen sie treiben und sie gegeneinander aufhetzen wollen...?
Er entschloß sich, den einfallslosen Beamten zu spielen und abzuwarten. „Beweise es mir, Sibalus! Du kennst die Grenzen meines Einflusses. Falls dies Material Lucius Aurelius in die Hände kommt und er erfährt, daß ich solche Argumente ohne Fakten anerkenne... Mein Kopf wäre keinen Denar wert!"
Der Kaufmann fühlte sich erleichtert. Daß sein Besucher keinen eindeutigen Beleg in der Hand hatte, stand nun fest. Dennoch waren Verdächtige auch bei schwächeren Indizien gekreuzigt worden... Er schob die Bespannung einer der Außenwände beiseite. Eine kleine Bronzeklappe trat zutage, die er mit einem winzigen Schlüssel öffnete. In diesem Versteck lagen Pergamentrollen. Er wählte eine und reichte sie dem hinzutretenden Griechen. „Ich war vorsichtig genug, mir von einem Numantiner namens Eladu den Zweck der Lieferungen bestätigen zu lassen."
Der Name traf. Menetius zuckte zusammen und griff hastig nach dem Dokument. Der Text in flüssigem Latein und das Siegel mit den sauber gefertigten Zeichen besagten freilich wenig. War es tatsächlich das Siegel jenes Menschen, der ihm - zugegeben - Kopfzerbrechen bereitete? Oder handelte es sich um eine Finte? Er war mißtrauisch.
„Im Hafenviertel bekommt man für einen Denar zehn solche Siegel und kann drei derartige Texte aufsetzen lassen."
„Das befürchtete ich auch und begab mich damals ins Archiv der Statthalterschaft. Dort liegt der Vertrag zwischen Marcus Claudius Marcellus und den Iberern. Auch Eladu unterfertigte ihn. Vergleiche die Siegel! Sie sind identisch." Er verschwieg, daß dieser Mann Eladus gleichnamiger Vater gewesen war - Menetius konnte das unmöglich wissen oder erfahren.
„Das klingt etwas zu glatt!"
„Als Kaufmann achte ich darauf, daß alles nach dem Gesetz geschieht", erwiderte er beleidigt.
„Kaufmann, hm. Vielleicht auch iberischer Gewährsmann, wie? Ich denke an die merkwürdigen Zufälle... Allzuoft wurden Dinge verraten, um die du wußtest"
„Ich - und andere." Sibalus grub die Nägel in die Hände, um weiterhin den Schein des überlegenen Händlers wahren zu können. Noch nie war die Gefahr so groß! „Vermutlich spielst du auf die Überfälle an, die dem Gut des jungen Lentulus galten."
„So ist es."
„Ich erinnere mich und bitte auch dich, daran zu denken, daß ich dich um einen Beobachter ersuchte. Entdeckte dieser Fachmann unter meinen Leuten einen Verräter?"
Verärgert schwieg der Grieche. Richtig, sein Spitzel stand mit leeren Händen da. Die Verdachtsmomente entstammten dem Bericht des jungen Verräters aus Numantia. Ein minderjähriger Bengel, von Neid und Habgier zerfressen - keine sichere Quelle. Immerhin mußte er als ein Sohn Litennons wissen, worum es ging.
Das Ausbleiben weiterer Fragen ermutigte den Iberer. Im Ton des gekränkten Freundes fuhr er fort: „Glaubst du, ich würde mir freiwillig solch einen Menschen ins Haus holen, wenn ich kein treuer Gefolgsmann Roms wäre? Cajus, du mißtraust mir zu Unrecht. - Ich tue manches hart am Rande der Legalität, aber immer zu deinem und unser aller Nutzen."
Auch das blieb unbeantwortet. Menetius wußte nicht, was er tun sollte. Die Anklage stand auf schwachen Füßen, ein gewiefter Advokat würde sie zerreißen; und mehr als auf den Busch klopfen
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