Das Grab der Legionen
verschloß sich ihr Gesicht.
„... sofern du dich nach meinen Vorschriften richtest und nicht eigenmächtig aufstehst, bevor ich es erlaube! Ich dachte, du könntest Weisungen befolgen. Dann tue es auch!"
Betreten nickte Titus. Daß man so mit ihm sprach! Kein Legionsarzt hätte das gewagt, selbst die Vorgesetzten hatten sich ihm gegenüber eines anderen Tons befleißigt.
„Später werde ich dir ein hübsches Schmuckstück schicken", murmelte er verlegen. „Sicher war es ziemlich unbequem für dich..."
„Das war es", gab sie zu, „aber ich habe es nicht getan, um dafür etwas zu bekommen, Titus Flaccus. Du kennst uns nicht, man merkt es." „Oh!" Mehr brachte der Römer nicht hervor.
„Was ist daran verwunderlich? Du bist unser Lehrer. Was für Schüler wären wir, wenn wir dich allein ließen! Du hast uns Hilfe zugesagt, darum haben wir dir geholfen. Das gehört sich so. Oder handeln Römer anders?"
Der Centurio schwieg. Allzugut wußte er, daß ein Legionär für solches Verhalten keinen Funken Verständnis aufbrachte. In den Kreisen des Adels gar ließ man einander ohne weiteres im Stich.
„So, es ist soweit", sagte Rega. Sie nahm aus einer hölzernen Büchse eine Prise aromatisch duftender Kräuter und schüttete sie in das aufwallende Wasser. Mit einem Lappen hob sie den Topf vom Feuer und füllte einen Becher.
„Warte! Es ist noch zu heiß."
Während das Getränk abkühlte, richtete sie ihm das Lager. Verlegen sah er ihr zu. Die Szene hätte ihn in der väterlichen Villa nicht im Geringsten gerührt. Dort taten das die Sklaven. Im Krieg mußte auch ein Centurio selbst für sich sorgen. Rega aber war nicht seine Dienerin...
Wie oft sich Titus auch einredete, er sei ja krank und hilfsbedürftig, das unbehagliche Gefühl blieb dennoch zurück. Er blickte beiseite und musterte den Bronzebecher. Freilich gab es an den groben Wellenlinien der einfachen Verzierung wenig zu bestaunen. Mit den Kunstwerken versierter römischer Goldschmiede konnte man das Trinkgefäß schwerlich vergleichen.
Er sah beschämt zu dem Mädchen und runzelte plötzlich die Brauen. Durch das Bücken war ihr das Gewand von einer Schulter geglitten und hatte eine deutliche Narbe entblößt, wie sie nur Pfeile mit Widerhaken hinterließen. Hatte sie seinen Blick bemerkt? Jedenfalls zog Rega das Kleid zurecht und setzte sich schweigend an den Tisch.
„Haben... die Legionen einmal Malega belagert? Davon weiß ich gar nichts."
„Nein. So nah waren sie noch nie”, erwiderte das Mädchen. „Warum fragst du?"
Er deutete auf ihre Schulter. „Die Narbe!"
Ihr Gesicht versteinte, als habe er sie geschlagen. Verständnislos sah Titus sie an.
„Ich war noch ziemlich klein", berichtete sie stockend, „als deine Landsleute eine Gruppe spielender Kinder überfielen. Mein Bruder, zwei Freunde und deren Vater kamen um. Ich entfloh verletzt im hochwasserführenden Duro. - Erinnere mich lieber nicht an diese römische Heldentat!"
Titus errötete und verstummte. Nur zu gut wußte er, daß es solche Überfälle gab; zumindest sein Körper war ja der eines iberischen Sklavenjungen. „Entschuldige, Rega", murmelte Titus. „Davon war mir nichts bekannt." Um etwas zu tun, setzte er den Becher mit dem noch immer heißen Getränk an die Lippen. Fast verbrannte er sich den Mund, aber dazusitzen und, den stummen Vorwurf zu ertragen war schlimmer. „Das tut mir leid. Solche Streifzüge sind..."
Sie blickte ihn vorwurfsvoll an, als wolle er etwas beschönigen, wo es nichts zu beschönigen gab.
„Krieg ist eine schwere Zeit", sagte er bedrückt.
„Warum ist Krieg? Was wollt ihr mit dem Hochland? Haben wir euch etwas getan? Plündern unsere Krieger Jahr für Jahr die Orte nahe der Grenze?"
Der Centurio vermochte nichts zu erwidern, das war Antwort genug. Alle Welt wußte, wie sich die Dinge verhielten.
„Aber wir wollen nicht mehr davon sprechen", sagte Rega plötzlich. „Ich möchte dich nicht kränken. Du hast uns Hilfe versprochen. Schändlich wäre es, dich ständig an die Schuld deiner Brüder zu erinnern. - Magst du noch etwas trinken?" Sie deutete zum Topf hinüber.
Niedergedrückt schüttelte der Römer den Kopf. Unsicher tappte er zum Bett hinüber. Mühsam setzte er sich und schaute Rega an. Sie war ihm gefolgt und betrachtete ihn prüfend. Offensichtlich machte sie sich Sorgen um ihn.
„Du brauchst Ruhe, wenn du gesund werden willst", sagte sie leise. „Morgen sieht alles besser aus!"
III
In Tarraco
Die Sänfte mit
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