Das Grab der Legionen
den kostbaren Schnitzereien und dem Elfenbeinbelag wurde von kräftigen Sklaven getragen und erst vor dem Säulenportal der Statthalterschaft abgesetzt. Zwei Diener beeilten sich, der Domina beim Aussteigen zu helfen. Falls die Straße hier nicht schon sauber gewesen wäre, man würde unverzüglich ein Tuch ausgelegt haben. Die Herrin durfte sich keinesfalls beschmutzen!
Calpurnia schaute sich aufmerksam um. Die Wachsoldaten salutierten vor der reich gekleideten Frau, ein Unteroffizier rief den diensthabenden Centurio heran.
„Ich möchte den Statthafter sprechen. Manius Atilius weiß, daß ich komme."
„Es wird ihm eine Ehre sein, dich zu empfangen." Der Offizier verbeugte sich und mühte sich um ein geschliffenes Latein. „Ich bin informiert. Er erwartet dich bereits. Der Konsul ist ebenfalls zugegen."
„Das erspart mir einen Weg", sagte Calpurnia knapp. „Melde mich an."
So höflich wie möglich grüßte der Centurio abermals und eilte ins Haus. Er wußte freilich sehr genau, daß Manius Atilius kaum erfreut sein dürfte. Die Streitigkeiten im Senat waren sogar den Soldaten bekannt. Im Übrigen schwelte noch immer der Zorn über die Ermordung des geehrten Lucius Fulvius Flaccus. Seine Witwe würde auf die gute Meinung des Heeres zählen können, wenn sie das wollte.
„Melus!" Die Herrin wandte sich halb um. „Du wirst dich um die Villa kümmern - du weißt, welche ich meine. Richte alles für einen längeren Aufenthalt her."
„Sehr wohl, Domina."
„In Tarraco wohnt ein gewisser Cajus Menetius. Laß ihn suchen und für heute nachmittag einladen. - Den Legionären des Geleitschutzes zahle in meinem Namen jeweils zwanzig Denare als Geschenk aus. Ich wünsche, daß man sich meiner gut erinnert."
„Ich werde alles richtig ausführen." Melus verneigte sich. Mit einer Geste entließ Calpurnia ihn und wandte sich dem neuerbauten Haus der Statthalterschaft zu.
Die Provinz Cisiberien warf keine bedeutenden Erträge ab. Daß dennoch die Verwalter aus ihrem - zudem bescheidenen - Anteil der Steuern ein solches Gebäude hatten errichten können, war einer der Gründe gewesen, weshalb seinerzeit die Untersuchungskommission gebildet worden war. Die Römerin blickte gereizt auf den Marmor der Fassade - war die Pracht nicht schuld an Lucius' Tod?
Im Eingang zum Atrium warteten der Hausherr und sein Gast. Sie verbeugten sich höflich, doch blieben ihre Gesichter hart. Es hätte dieses Anzeichens nicht bedurft. Calpurnia wußte, wie die Dinge lagen.
„Salve, teure Freundin! Es ist eine große Ehre für die ödeste Provinz der Republik, dich hier zu sehen. Tritt näher, setz dich. Du bist willkommen, wie uns jeder Edle und jede Edle Roms willkommen ist!" sagte Manius Atilius.
Du denkst wohl, ich spüre nicht, daß du mich lieber gehen als kommen siehst? dachte die Frau und lächelte fast liebenswürdig. „Schön, wieder unter Römern guter Abkunft zu sein", erwiderte sie. „Man sieht allerorten so viele Emporkömmlinge!"
Nun war es an Konsul Pompejus, ein beleidigtes Gesicht zu vermeiden. Er wußte, daß viele der anderen Senatoren auf ihn herabsahen, nur weil seine Vorfahren keine reinblütigen Quinten gewesen waren. Seinem Gold und Silber verdankte er das Konsulat, die Adelsstolzen erinnerten ihn bisweilen daran.
„Wollen wir uns nicht setzen?" schlug der Statthalter vor. Er spürte den Streit in der Luft liegen und suchte ihn zu verhindern. Überdies war ihm unklar, wie man in solcher Situation mit einer gebildeten Römerin umging. In seinem Bekanntenkreis zogen es Frauen und Töchter vor, zu Haus zu bleiben. Umso unbegreiflicher war ihm Calpurnia.
Hoheitsvoll und im Bewußtsein, dem anderen einen Denkzettel verpaßt zu haben, ließ sich die Dame auf einem weichen Sessel nieder. Auch die beiden Männer setzten sich.
„Wein und süßes Gebäck!" rief Atilius den Sklaven zu.
Wenig später brachten zwei mäßig hübsche Mädchen eine silberne Platte mit Süßigkeiten und eine Karaffe mit dem weit über die Provinzgrenzen hinaus bekannten iberischen Wein. Auf einen Wink des Hausherrn wurden drei Gläser gefüllt und vor die Sitzenden gestellt. Die Dienerinnen entfernten sich lautlos.
„Auf Jupiter und die Götter des Capitols!" grüßte Atilius und verspritzte den Unsterblichen zur Ehre ein paar Tropfen. Die anderen taten es ihm gleich. Somit war der Form Genüge getan, die Unterhaltung konnte beginnen. Nur schien Calpurnia es damit nicht eilig zu haben. Sie betrachtete den Raum und verzog von Zeit
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