Das Grab der Legionen
längst tot. Es wäre unsinnig, sich Illusionen hinzugeben."
„Das wird sich herausstellen", antwortete sie scharf und zornrot. Pompejus, dieser Schurke, würde sich nicht hinter Cornelius Scipio verstecken können, wenn sie erst die Mörder gefunden hatte und der Strafe zuführte. Der Censor mochte eine Macht sein, unschlagbar war er nicht - wieviel weniger sein Nachahmer! „Wer führte die Suchaktion?"
„Servius Asprenas von der Ersten Legion. Zurzeit ist er in Ocilis stationiert." Pompejus lächelte höhnisch. Daß die Römerin keinesfalls an den Jalus reisen werde, stand fest; andernfalls würde er dem bewährten Offizier den Winterurlaub gestattet haben. - Nun kam es darauf an, Calpurnia so rasch wie möglich wieder aus der Provinz zu entfernen. Am ehesten war das wohl durch Schweigen zu erreichen. Nicht daß Servius Asprenas weitere Details gewußt hätte - an Titus' Ende war nichts Merkwürdiges —, aber seine Anwesenheit würde sie hier noch länger verweilen lassen. Das aber war unbequem. Schlimm genug, daß eine Dame überhaupt herkam - Pompejus' Gemahlin war selbstverständlich in Rom geblieben —; damit hatte Scipio sicher nicht gerechnet.
„Und wer führte die Untersuchungen im Mordfall, Manius Atilius?" fragte Calpurnia zornig.
„In Anbetracht der Bedeutung des Verstorbenen leitete ich sie selbst, teure Calpurnia. Die Akten stehen dir jederzeit zur Verfügung. Nur fürchte ich, du wirst nicht mehr herausfinden als ich. Die Täter sind unauffindbar."
„Auch das wird sich zeigen." Abrupt erhob sich die Römerin und entfernte sich ohne einen Abschiedsgruß. Der Ärger nagte in ihr und verdrängte die Müdigkeit der letzten Tage und Wochen. Seit Lucius' Tod fühlte sie sich schwach. Ohne Melus' Drängen hätte sie die Reise nicht unternommen. Ungern gab sie es zu. Warum nur dem Sklaven an weiteren Ermittlungen lag?
„Wußt ich's doch, daß ich dich hier finde", sagte Melus und schloß die Tür hinter sich. „Die Herrin ist soeben eingetroffen und wird die Villa bewohnen."
Der Mann schaute den Aufseher fragend an, sagte aber kein Wort. War Melus so wie früher? Konnte man ihm noch vertrauen?
„Gehungert wirst du ja nicht haben, Verinus. Siehst aber mitgenommen aus. Wie ging es hier zu, nachdem der Herr umgekommen war?” „Du kannst es dir kaum vorstellen! Man befragte jeden aufs schärfste. Viel hätte nicht gefehlt, und sie hätten uns gefoltert, um ein Geständnis herauszuholen."
„Uns erging's nicht besser. Und dann erkrankte die Domina Der Arzt macht noch jetzt ein bedenkliches Gesicht."
„Die arme Domina." Verinus' Mitgefühl klang nicht eben ehrlich. Was bedeutete es, ob die Herrin starb oder lebte! Sie würden nichts davon haben.
Melus dachte nicht so und erriet die Überlegungen des anderen. Wie sollte er ihm klarmachen, daß Plutos Spruch keinesfalls gleichgültig war?
„Wenn es schlecht um ihre Gesundheit steht - weshalb kam sie dann nach Tarraco? Konnte sie uns nicht nach Rom zurückberufen?" „Sie glaubt nicht an Titus' Tod und will nach ihm suchen."
Verinus hob die Schultern. „Aussichtslos. Als wir die Nachricht erhielten, sprach ich mit Mucius und den anderen. Alle sagen, daß die Iberer ihre Gefangenen töten."
„Mag sein. Die Domina ist anderer Meinung. Ich denke, sie wird eine Schar Leute beauftragen, das Land zu durchstreifen."
„Bitte!" murmelte der Sklave. „Was geht's mich an?"
Melus hatte es gehört. „Ich wünschte dir Verstand in deinen Schädel, Narr! Weißt du, was uns droht, falls Titus verschollen bleibt oder tot ist? Wir alle werden auf einem Landgut Korn schneiden oder an die Ruder geschmiedet werden!"
„Wie das? Sind wir schuldig an seinem Schicksal?"
„Oh, du Einfalt! Es gibt keinen weiteren Sohn und keine Tochter. Sollte die Domina zu den Unsterblichen gerufen werden, sind wir herrenlos. Was also wird geschehen?"
Verinus antwortete nicht. Die Lage war klar.
„So. Und alle Erben aus den entfernten Zweigen des Fulviergeschlechts haben genügend Haussklaven. Für uns bleiben dann nur deren Latifundien. Geht das in deinen Kopf?"
„Kann ich ändern, was die Götter beschließen? Wir werden doch nicht gefragt. Was wäre anders, wenn ich deine Erwägung begriffe?" Melus zuckte die Achseln. „Bitte die Unsterblichen, daß der junge Herr gefunden wird. Es ist deine einzige Chance. Vielleicht läßt die Herrin in der Freude einige frei. Gerade du..."
„Wieso ich?”
Er mußte auf eine Antwort warten, denn Melus suchte nach Worten.
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