Das Grab der Legionen
nicht weiter.
Rega schwieg. Das Schicksal einer Vestalin blieb ihr unbegreiflich. In Rom lebte es sich anscheinend keinesfalls so unkompliziert wie in Malega. „Behalte die Schmuckstücke für die Braut in Verwahrung", sagte sie dann und blickte beiseite. „Du wirst noch andere Mädchen kennenlernen, wenn du wieder zu Hause bist."
Keine wie Claudia, dachte Titus. „Was schenkt ihr euch bei der Heirat?" fragte er ablenkend.
Die Ibererin errötete. „Da mußt du wohl die Verheirateten fragen. Wie kann ich es wissen?"
„Hast du nicht hingeschaut? Das weiß man doch."
„Meist stiften die Eltern Hausrat, also' Töpfe, Kleiderstoff und dies und das. Bronzeschmuck, Reifen und Ringe sind schon seltener."
„Ich erinnere mich. Du zeigtest mir einmal solch einen Reif. Aber das war Gold, wenn ich mich richtig besinne."
„Nein, nein." Hastig wehrte das Mädchen ab, damit der Römer keinen falschen Eindruck von den Beziehungen zwischen ihr und dem jungen Kriegerführer bekam. „Keri gab ihn mir nicht deswegen. Wir sind gute Freunde, nichts anderes..."
„Verzeih, was geht's mich an! - Sieh mal, Mädchen, bei uns ist alles großartiger. Hätten Jupiter und Venus anders entschieden,
wäre tagelang ein Fest gefeiert worden, hätten wir zahllose wertvolle Geschenke erhalten." Wieder lächelte er verloren.
„Aber wir sind arm!" Rega wußte nur, was man ihr von Rom berichtet hatte. Doch schon das reichte aus, ihr die ungeheure Differenz vor Augen zu führen - iberischer Mangel und römischer Luxus. „Auch ich möchte gern feine Kleider tragen. Jedes Mädchen sehnt sich danach, das mußt du glauben. Aber der Krieg nimmt kein Ende, wir kaufen Waffen und nur immer Waffen."„Auf Roms Märkten kannst du bekommen, was du wünschst, ob Friede herrscht oder nicht", erwiderte Titus leichthin. „So stark ist die Republik, daß die Kämpfe an den Grenzen bleiben. Seit einem Menschenalter betrat kein Feind unser Land. Hannibal war der letzte, dem dies gelang. Er ist tot, und seither siegen die Legionen immer und überall."
„Warum lassen sie uns Arme nicht in Frieden?"
„Das ist doch ganz einfach", sagte jemand von der Tür her. Hastig drehte sich Titus um. Was würde Senkin wegen des Zweikampfs auf dem Hof sagen?
„Eure Legionen", fuhr Regas Vater gelassen fort, „müssen Sklaven beschaffen. Wo sollen sie sie finden, wenn nicht hier? Überhaupt sprachst du vorhin die Ursache aus: Auf den Märkten bekommst du alles, wenn dir der Preis nicht zu hoch ist."
„Gewiß", antwortete der Centurio. War an dieser altbekannten Feststellung irgendetwas falsch?
„Auch Sklaven?"
„Auch Sklaven."
„Eben das ist es ja. Rom wäre tot ohne sie. Kein Krieg, keine Kriegsgefangenen, keine Sklaven, kein Rom, kein Luxus. - Wer erbaute jene Wasserleitungen? Wer schuf eure wunderbaren Straßen?"
„Teils Legionäre, teils Sklaven", antwortete Titus und fragte sich dabei, woher Senkin hier im unwegsamen Iberien von dem Straßenbauprogramm wußte. Bis in diese Provinz zog sich jedenfalls noch keine Heeresstraße. „Schon immer und überall gab und gibt es Sklaven", fügte er hinzu.
„Immer? Überall? Wo sind sie in Iberien?" Zwar hatten sich vor Generationen Ansätze dazu in den Küstenprovinzen gezeigt - die Kämpfe gegen Karthago und später gegen die Römer überdeckten sie. Senkin wußte dennoch davon. Bis an den Duro drang die Seuche der Sklaverei jedenfalls nicht!
„Was tut ihr mit Gefangenen?" fragte Titus dagegen. Er wollte sich nicht besiegt geben. „Was wird aus ihnen?"
Der Ältere antwortete nicht gleich. Vorsicht war geboten, denn das Gespräch mit Eladu kam ihm in den Sinn. „Wer uns zuschwört, treu zu sein und Iberer zu werden, darf leben und bei uns bleiben. Die anderen werden bei den Feiern zur Sonnwende, zur Tagundnachtgleiche Netos geopfert, wie du weißt."
„Nun, ist das besser als Sklaverei? Ich finde keinen Unterschied."
„Was würdest du denken, wenn du mit irgendeinem anderen Römer zu unserer Belustigung um dein Leben kämpfen müßtest, damit wir lachend deinem oder seinem Sterben zusehen können?" Senkins Augen waren hart und kalt, denn die Gerüchte über die Gladiatoren waren mit Dauer des Krieges häufiger und damit glaubwürdiger geworden.
Titus senkte betroffen den Blick. Daß er persönlich dergleichen als unrömisch verabscheute, war keine geeignete Antwort.
Regas Vater trat ans Fenster. Im Stillen tadelte er sich. Was nützte es, einem einzelnen vorzuwerfen, wofür viele andere
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