Das Grab der Legionen
war das der Ersten Legion, daran bestand kein Zweifel. „Verstehe ich dich recht", erkundigte sie sich mißtrauisch, „du hältst weitere Nachforschungen für überflüssig?"
„Für langwierig und nicht erfolgversprechend, Herrin. Der Handelsherr Sibalus schickt des Öfteren Kaufleute zu verschiedenen iberischen Stämmen. Er kann dir über deren Sitten und Bräuche berichten."
„Ist der Handel mit dem Feind nicht untersagt?" fragte Calpurnia. „Das ist wahr", gab Sibalus zu. „Allerdings verhält es sich mit meinen Geschäften etwas anders." Lächelnd erläuterte er, daß seine Beauftragten nur zu jenen Ibererstämmen reisten, die als befriedet galten.
Die Römerin war es zufrieden. Wenigstens war dieser Mann kein halbgebildeter Freigelassener, sicher hatte er einst dem Adel der nun Unterworfenen angehört. Oft hatte man solche Leute bei der Kapitulation deutlich bevorzugt - es zahlte sich aus.
„Wie mir der geschätzte Herr Cajus Menetius mitteilte", fuhr Sibalus fort, „wurde dein Sohn bei Herbstanbruch gefangengenommen. Zur Tagundnachtgleiche finden in den meisten Arevakenstämmen große Opferfeste statt. Gefangene werden dabei der Sonne dargebracht. Die Iberer verehren das Tagesgestirn wie wir, sagen freilich Netos statt Helios oder Sol. Ich kann mir nichts anderes denken, als daß Titus Fulvius Flaccus ebenso... Er fiel für Rom."
Calpurnia erbleichte, verbarg jedoch ihr Erschrecken vor diesen Niedriggestellten. „Und falls er den Barbaren ein Lösegeld anbot?"
„Du sagst selbst, Herrin", Sibalus seufzte, „es sind Barbaren. Wenig wissen sie vom Wert des Geldes. Das Wohlwollen irgendwelcher Götter ist für sie wichtiger. - Selten nur hörte ich vom Freikauf eines Gefangenen... Hochvornehme Römer fielen bereits in ihre Hand. Sicher erinnerst du dich an Marcus Veturius Flavus, der mit Frau und Schwester sein edles Leben unweit von Minendo verlor. Ein Bandenüberfall. Anderthalb Jahre ist das her, niemand kehrte zurück. Die Veturier sind keine armen Leute."
Calpurnia kannte einige Mitglieder der weitverzweigten Familie. Das spurlose Verschwinden der drei war in Rom nicht stillschweigend hingenommen worden. Ihr schauderte, wenn sie das Schicksal ihres Sohnes bedachte.
„Um Jupiters willen, ich möchte nicht als Schwarzseher gelten, Herrin", fügte der Kaufmann hinzu. „Niemand weiß zweifelsfrei, daß Titus Flaccus starb, aber... So ist das nun mal in diesem Land. - Ich kann meinen Mittelsmännern befehlen, die Augen offenzuhalten. Doch müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen..."
„Unmöglich", warf Menetius wohlbedacht ein. „Wir dürfen keinesfalls Kontakt mit den Arevaken aufnehmen. Die aufsässigen Barbaren rebellieren gegen Rom. Sie sind nicht einmal einer Botschaft würdig!"
„Und du findest keinen Ausweg?" fragte die Römerin. Sie hatte begriffen, daß es den beiden um nichts anderes als Geld ging.
„Es gäbe einen - vielleicht." Sibalus nickte. „Erhielte ich unterderhand die Erlaubnis für einen Wagenzug zu den Vaccäern - die sind keine Feinde, sondern nur wenig beliebt —, könnten dessen Fahrer auf dem Hin- und Rückweg herumhorchen. Die Reise ginge nämlich am Durius entlang.
Falls dein Herr Sohn noch leben sollte, werden meine Mittelsleute davon erfahren. Die ungebildeten Bauern eignen sich keineswegs zum Lügen und Betrügen... Ich meine, ich könnte dir bald Nachricht bringen. Unabhängig davon wäre das der einzige Weg, gegebenenfalls ein Angebot zu unterbreiten."
„Was für ein Angebot? Und an wen?"
Sibalus lächelte nachdenklich und überlegte angestrengt. Was durfte er für sich fordern - was für Eladu? Das Geschäft konnte für die Beteiligten Gewinn bringen und ebensogut den Kopf kosten. Wie stand Cajus Menetius zu allem? Aber gegen einen anständigen Prozentsatz vom Reinerlös...
„Gold und Silber, teurer Schmuck zählt bei den Kulturlosen nichts", begann der Händler tastend. „Selbst Denare werden die Arevaken nicht nehmen wollen. Wo könnten sie sie ausgeben?
Freilich, wenn ich an meine Partner in den Städten südlich von hier denke... Mit Erz, mit Getreide, Mehl und Fleisch sind sie bestimmt zu kaufen. Und willst du ein Übriges wagen, Domina, so biete ihnen Waffen!"
„Du bist nicht recht gescheit!" rief Menetius und blickte die Römerin aus den Augenwinkeln an. Glaubte sie ihm die Entrüstung, oder ahnte sie etwas von seinem Plan? „Dem Feind gar noch Waffen zu geben ist blanker Verrat!"
„Gewiß, aber das sicherste Mittel, einen Gefangenen
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