Das Grab der Legionen
blickte er von einem zum anderen. Sagils Verrat traf ihn schwer.
„Jetzt ist Schluß mit eurem Geschwätz über römische Spione! Eladu, komm nach Haus und leg dich ins Bett. Lange genug hast du dich herumgetrieben, und wer weiß, wo. Wenn euch jemand fragt er stieg vom Pferd ab und eilte zu mir." Sira griff energisch nach Eladus Hand. Gemeinsam gingen die beiden hinaus und ließen Litennon und Avaros zurück.
Avaros kratzte sich nachdenklich den Lockenkopf. Sein Vater lief ruhelos hin und her.
„Ich glaube, eine Wolke zieht sich um uns zusammen", murmelte Litennon endlich, „und da ist kein Weg, sie zu verjagen. Hier Rom, dort drohender Verrat und Abfall. Und irgendwo Eladus Methoden, den Duro-Bund beieinander zuhalten. - Wo blieb die Geradlinigkeit der iberischen Freiheit? Gegen Lug und Trug, gegen Treulosigkeit und Knechtschaft kämpfen wir - womit? Mit Horchen, List und Verrat."
„Verrat an Verrätern", setzte der Sohn entgegen und verschränkte die Arme. „Wer zum Gegner übergelaufen ist - offen oder insgeheim —, hat uns verlassen. Kann er erwarten, wie einer der Unsrigen behandelt zu werden?"
„Netos allein weiß die Wahrheit", flüsterte Litennon. Er scheute sich, laut zu sprechen - war nicht alles ungewiß geworden? „Ist dir immer noch unklar, Junge, wie sehr der Boden unter uns wankt? Was Eladu eben ausführte, war ein Dolchstoß. Denk nach, Avaros! Der Erste Priester erwies sich als Verräter. Welche Zeiten brechen herein, wenn so etwas wahr werden konnte! Der Abfall schleicht sich in die Reihen der Zuverlässigsten. Selbst in der schlimmsten Lage hätte ich auf. Netos' Diener gezählt, und nun... Auf wen kann man bauen?" „Auf die Jungkriegerbünde, Vater. Sie sind treu."
„Heute Mittag hätte ich dasselbe von den Priestern gesagt. Wie lange werden jene zu mir stehen? Wer garantiert es? Niemand. - Lutia ist eine unsichere Bastion geworden. Wie sieht es in den anderen Orten aus? Weißt du das?"
Avaros schwieg.
„Jetzt begreife ich erst, wie wichtig es war, daß Eladu stets einen Teil der Beute für seine Gewährsleute nahm. Mit dem Zehntel belohnte er jene, die ihm halfen.
Das sei nicht schlimm, denkst du? Irre dich nicht, es ist der Anfang vom Ende unserer alten Freiheit. Wohin wird das führen? Doch wohl dahin, daß jeder sich vorsieht, damit ihn nicht Eladus Lauscher ertappen. Was aber heißt das? Ein Netz der Furcht liegt über uns allen. Was trennt uns dann von Rom?"
„Vater, was sagst du da!"
„Verschließ doch nicht die Augen vor der Wirklichkeit, Avaros! Wir bedienen uns derselben Methoden, die wir verdammen wollen und gegen alle, nicht nur gegen die Verräter. Was bedeutet unser Ziel? Nichts."
„Wir haben keine Sklaven und wollen keine haben. Und wenn Rom uns mit Waffen angreift, die wir nicht kennen, müssen wir eben lernen, uns ihrer zu bedienen!"
Litennon hob die Hände. Sicher hatte sein Sohn recht, die Iberer blieben nicht dieselben. Früher waren sie schlechte Bogenschützen und benutzten im Krieg nur den Wurfspeer. Das hatte sich geändert, weil man sonst nichts gegen die Legionäre ausrichten konnte. Aber hier ging es um Gewichtigeres als um Spieß oder Pfeil.
„Vater!" Es war ungewöhnlich, daß sein Ältester so viel redete. Die Sache lag ihm wohl sehr am Herzen. „Soll Numantia vor falsch verstandenem Edelmut zugrunde gehen? Tod oder Leben, dürfen wir da zimperlich sein? Rom will uns um jeden Preis unterwerfen; nun, die Arevaken werden sich um jeden Preis verteidigen. Ich sehe das so, daß alle Mittel, recht oder unrecht, erlaubt sind."
„Netos gebe, daß du die Wahrheit siehst. Ich... beginne am Sieg zu zweifeln. Wird es ein Sieg sein? Können wir wieder werden, was wir waren? Ich fürchte, nein."
VI
In Malega
Die beiden Burschen hielten Holzschwerter in den Händen, um das Fechten zu üben. Ihr Vorbild und Lehrer stand daneben und warf hier und da ein Wort in den Zweikampf - Ratschläge und Ermahnungen. Eigentlich konnte keinem etwas geschehen, die Schwertspitzen waren abgerundet. Überdies trugen sie dicke Lederpanzer und große Helme.
„Halt, halt!" Er hob die Hand, beide ließen die Waffen sinken. „Nicht so wuchtig zuschlagen! Wollt ihr Holz hacken? Ehe die Falcata wieder oben ist, sticht der Römer zu. Laßt euch nicht hinreißen, kämpft mit den Augen. Die Hände tun dann schon alles nach Wunsch. - Weiter!"
Nun umkreisten sich die Burschen wie lauernde Füchse, zum unvermuteten Angriff bereit.
„Ja, gut...! Und jetzt! So ist's recht!"
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