Das Grab der Legionen
ohne Ansatz, ohne Ausholen - ein derart wuchtiger Hieb, daß dem Arevaken das Schwert aus der Hand prellte. Es polterte ein paar Schritte weiter auf den Boden. Zwar war er mit einem Satz zur Stelle, ebenso rasch indes der Römer, der den Fuß darauf setzte .
All das bedurfte keines Kommentars.
Titus atmete heftig. Ihn hatte das Duell mehr als den anderen angestrengt, und nur die lange Übung hatte ihm zum Erfolg verholfen. Er warf seine Übungswaffe auf die Erde und wandte sich wortlos Rega zu.
„Nennst du das Erholung?" schimpfte sie. „Komm endlich mit!"
Das betretene Schweigen auf dem Innenhof wirkte lähmend. Auch als der Centurio und seine Pflegerin davongegangen waren, löste es sich nicht. Die Burschen blickten zu Boden, um den Augen ihres Lehrmeisters zu entgehen. Gerade bei ihnen hatte der Römer mit einem Schlag an Sympathie gewonnen. Mut wurde in Iberien hochgeschätzt, wo er auch immer zutage trat.
Manche Älteren waren entgegengesetzter Ansicht. Daß ein Gefangener ungeschoren die Sieger demütigen dürfe, sei Netos sicher ein Greuel. Einige nahmen sich vor, ein ernstes Wort mit Senkin zu sprechen.
Leise fluchte der Fechtlehrer. Unnötig, die Schüler anzusehen; er wußte nur zu gut, wie schlimm seine Niederlage war. Irgendein Zweikampf - na ja. Doch ausgerechnet, nachdem er geprahlt hatte...
„Morgen üben wir weiter”, sagte er zu den Burschen. „Heute..." Der Satz blieb unbeendet. Jedem war klar, weshalb die Unterweisung abgebrochen wurde.
„Der Auftritt war unnötig", sagte Titus ungewohnt wortreich. „Ich gebe dir recht. Aber da er meine Landsleute schlichtweg als Trottel bezeichnete, mußte ich Partei nehmen. - Sobald du ihn siehst, sag ihm, jener Kniff wurde mir von einem Hauslehrer beigebracht. Legionäre beherrschen ihn selten. Er soll sich nicht kränken. Du verstehst - ich kann ihm das unmöglich erklären."
Rega blieb stumm. Obgleich sie sich mehr als andere Mädchen ihres Alters um den endlosen Krieg und seine Probleme kümmerte es gab Grenzen.
„Denkt ein Römer immer nur ans Kämpfen? Du hättest ihm und seinen Schülern besser etwas von den großen Städten erzählen sollen!" sagte sie schließlich, um endgültig von dem unseligen Zweikampf abzulenken. Sie stocherte in der Glut und schob die brennenden Scheite zusammen. Sollte sie dem Gefangenen geradezu sagen, daß sich die meisten Arevaken sehnten, einmal nur das berüchtigte ferne Rom zu sehen? „Du kennst die Stadt Rom und unsere Ortschaften. Ist der Unterschied zwischen ihnen wirklich so groß?" fragte sie.
Ein trauriges Lächeln trat in Titus' Gesicht. „Da gibt es keinen Vergleich, Mädchen. In Rom haben wir Aquädukte, die die Stadt mit reinem Trinkwasser versorgen. Niemand muß zum Tiber hinablaufen, um einen Krug zu füllen - für jedermann sprudelt es in den Brunnen. Wer das nötige Silber hat, kann gar eine Abzweigung ins eigene Haus legen lassen, der größeren Bequemlichkeit halber. Und dann die großen Handelshäuser. In ihnen bekommst du, was dein Herz nur begehrt..."
„... sofern du bezahlen kannst", warf sie ein. „Nicht jeder entstammt einer reichen Familie."
„Und nicht jeder", konterte Titus, „möchte seiner Geliebten gleich Diamanten ins Haar stecken!"
Es wurde still. Titus' Blick glitt an ihr vorbei durch das Fenster ins Leere. Bedrückt schwieg Rega und ärgerte sich, weil der Wunsch nicht erlosch, alles dies auch einmal zu sehen. Nur sehen... Doch Rom war Feindesland. Es würde nie sein.
„Denkst du an jenes Mädchen? Claudia hieß sie, nicht wahr?"
„Sie heißt so”, bestätigte er niedergeschlagen, „doch du hast recht: Sie hieß so. Claudia ist für mich tot. Aus dem Tempel der Vesta führt kein Weg in die Welt zurück."
„Wünschte sie es denn nicht, der Göttin zu dienen?"
„Wo denkst du hin! Wer will in ein wenn auch goldenes Gefängnis? Es war so: Bevor ich zur Legion ging, erschien mir eine Werbung verfrüht. Mit Ruhm heimgekehrt... Inzwischen war ein Konkurrent aufgetreten, ein junger Adliger." Titus blickte zu Boden. „Er gehörte der Gegenpartei von Claudias Vater an und wurde aus diesem Grund abgewiesen. Rachelustig steckte er sich hinter Scipio, den derzeit mächtigsten Mann in Rom; der wieder veranlaßte den Vesta-Tempel, Claudia für sich zu fordern. - Hätte Claudius gewußt oder bloß geahnt, daß ich... Er würde den Priesterinnen kurzerhand erklärt haben, wir beide seien verlobt und ich beim Heer. Das geht vor. Aber ich hatte gezaudert und..." Er redete
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