Das Grab der Legionen
verantwortlich waren? Im Übrigen war der Centurio ja bereit, den Iberern zu helfen. Aber Senkin hatte die leuchtenden Augen seiner Tochter gesehen, als Titus von Rom berichtete, und wußte um die Faszination des Fremden. „Besser wäre natürlich, wenn wir Frieden hätten", meinte er begütigend. „Jeder könnte sich dann aus eigenem Augenschein über das Gute und Schlechte beim anderen überzeugen. Das ist stets das sicherste. - Vorhin sah ich dich die Ehre der römischen Fechter verteidigen", fügte er plötzlich hinzu. „Du solltest es nicht wiederholen. Der Mann ist beschämt, und wir wollen nicht Unfrieden säen..."
Titus lächelte eigenartig, so daß sich Senkin unverzüglich umdrehte. In der Tür stand ebendieser Fechtlehrer.
„Sicherlich willst du dich für den Streit entschuldigen. Du tust recht daran, denn man soll Gäste nicht kränken." Senkin wollte es ihm erleichtern, denn das Zugeben einer Schwäche war uniberisch. „Ich habe schon mit Titus gesprochen, er trägt dir nichts nach." Er wandte sich dem Centurio zu und sah ihn fest an.
Titus nickte und schwieg, denn nach seinem Verständnis war der Kriegsmann aus einem ganz anderen Grund gekommen. Nur - wie sich ein Arevake verhielt, wußte er nicht.
„Nein, Senkin", murmelte der Besucher, „das ist es eigentlich nicht... Ich meine... Diesen Kniff, Römer - kann man den erlernen?"
Es war ausgesprochen. Titus bemühte sich, seine Befriedigung zu verbergen. „Man kann", bestätigte er. Und dann überwand er sich und sagte: „Ich werde ihn dir zeigen. - Du hast doch nichts dagegen, Senkin?"
Offenen Mundes schaute Regas Vater von einem zum anderen. Ehe er antworten konnte, verließen die beiden den Raum.
„Daß ein Iberer bei einem Römer Fechtunterricht nimmt!"
„Mir scheint, manche Leute sähen es ungern, wenn er bald wieder ginge", sagte Rega, während sie erneut im Feuer stocherte.
„Und du?"
„Ich? Was habe ich damit zu tun?" fragte sie erstaunt. Doch ihre Frage erfolgte zu rasch, und Senkin lächelte vieldeutig. Als ihm Eladus Warnung wieder in den Sinn kam, wurde er ernster. Es ist immer noch nichts entschieden für den Fall, daß ein römischer Händler auftaucht, überlegte er. Keri muß zurückkommen, denn irgendwie gerät sein Plan außer Kontrolle.
Verwundert schaute ihm das Mädchen nach, als er hinausging. Was bereitete dem Vater Sorgen? Daß es welche gab, war offensichtlich. Doch stand nicht alles zum Besten?
VII
In Tarraco
Die beiden Sklavinnen mühten sich um eine schöne Frisur. Die Domina stellte hohe Ansprüche. Zum Glück pflegte sie nicht bei jeder Lappalie zuzuschlagen oder Strafen zu verhängen, wie das in anderen herrschaftlichen Häusern gang und gäbe war.
Die letzte Locke lag richtig. Alle Nadeln wurden entfernt, bis auf jene, die bleiben mußten, sollte das Wunderwerk nicht auseinanderfallen.
„Schickt mir Melus ins Tablinum !" ordnete Calpurnia nach einem Blick in den silbernen Spiegel an. Sie war mit ihrem Aussehen zufrieden. Mehr würde auch die größte Mühe der Sklavinnen nicht bewirken können. Das Alter verbot allzu hohe Ansprüche an die Schönheit.
„Domina, du befahlst selbst, daß Melus..."
„Ich erinnere mich... Schickt seinen Vertreter!"
Beim Feuer der Vesta! seufzte sie im stillen. Was trieb mich in dieses Land? - Allerdings war ihr klar, die Beamten der Statthalterschaft hätten keinen Finger gerührt, nach Lucius' Mördern zu suchen. Und ebenso würde sich niemand um Titus bemühen. Alles mußte sie selbst tun, oder es blieb ungetan.
„Was befiehlst du, Domina?" Carus, der neuernannte Aufseher, verbeugte sich. Ihm war die Rolle ungewohnt, doch da Melus umherreiste, mußte er dessen Aufgabe übernehmen.
„Schicke zu Cajus Menetius, diesem Halbrömer. Ich wünsche ihn zu sprechen. - Haben meine Sklaven auf den Märkten irgendwelche Gerüchte über das abscheuliche Verbrechen gehört?"
„Es wird viel geredet, aber das meiste ist Geschwätz." Dem Aufseher war nicht wohl in seiner Haut. Wie rasch wurden Worte ausgesprochen, die der Statthalter als Amtsbeleidigung auslegte; dafür. aber gab es nur eine Strafe: das Bergwerk. In ewiger Nacht zu leben..., gräßlich! Der Domina das Zugetragene zu verschweigen, konnte ebenso übel enden.
„Was für Geschwätz? Sprich endlich!"
„Man glaubt an Räuber, an entlaufene Sklaven, an arme Iberer aus umliegenden Dörfern. Hier und da hörte ich - hm! —, die ausgesetzte Belohnung des Statthalters sei zu gering, um Mitwissern die Lippen
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