Das Grab der Legionen
Titus gefunden werden.
Melus schaute dem einen Sklaven zu, der fest schlief. Der andere, Verinus, saß mehr schlecht als recht auf einem Reservepferd. Das Rumpeln des ungefederten Wagens ruinierte auch harte Muskeln, deshalb versuchte sich selbst ein ungeübter Reiter beim langsamen Marschtempo auf dem Pferderücken zu halten. Der Leibwächter war von anderem Holz. Ein Gladiator mußte alles können, auch reiten. - Melus bezwang den Wunsch, ebenfalls aufs Pferd zu steigen. Wie sollte man ihn respektieren, wenn er eine ähnlich jämmerliche Haltung einnahm wie Verinus? Man fürchtete ihn schon kaum, sollten sie über ihn lächeln?
„Wie ein Getreidesack!" murrte der Leibwächter, als er neben Verinus ritt. „Nach welcher Seite willst du rutschen? Nimm die Beine fester zusammen und halte dich gerade! Ja, so geht's bedeutend besser"
„Wie du werde ich es nie können."
„Stimmt. Ich habe schon als Junge auf Pferden gesessen. Wir Gallier wachsen mit ihnen auf."
„Und doch hast du dich fangen lassen, Brennus." In Verinus war ein Riß, seit er von Tellas Schicksal wußte. Alles reizte ihn. Die Feststellung geriet dadurch zum Vorwurf.
„Du kennst meinen Namen, sieh da. - Und was das andere angeht, damals war ich zehn Jahre alt. Das römische Heer überrannte uns und erschlug alle, die sich nicht ergaben." Er sprach nicht weiter. Heute, dachte er, wäre das schwieriger. Ich lernte bei ihren besten Fechtmeistern und war ein guter Schüler. Wie Kälber würde ich sie hinschlachten!
Doch das durfte er Verinus nicht sagen. „Du bist sehr jung", war alles, was er hinzufügte. „Später wirst du anders denken."
„Später..." Der Sklave blickte zu Boden. Ohne Tella leben? Aber für ihn und seinesgleichen gab es nichts anderes als bedingungslosen Gehorsam oder den Tod. Und da die Unsterblichen nun einmal bestimmt hatten... „Der Wille der Götter ist manchmal seltsam, nicht wahr?"
„Das ist so. - Aber weißt du, Verinus, kein Gladiator glaubt fest an die da oben. In der Arena geht es um dein Leben, und da zählen nur drei Dinge: dein Schwert, dein Auge und dein kaltes Blut. Wo sind die Götter, wenn dich ein Ausrutscher, ein Zufall zum Sterben verurteilt?"
Entsetzt schüttelte der andere den Kopf. Worauf sollte man bauen, wenn nicht auf eine Gottheit? Wer bewahrte ihn in seiner Situation vor sinnlosem Aufbäumen und dem Tod am Kreuz? Der Gladiator konnte leicht reden, ihm fehlte Tella nicht! „In deiner Lage hast du vielleicht die Götter nicht nötig, mag sein. Ich aber brauche eine Stütze. Die Macht der Unsterblichen gibt sie mir."
„Wegen Tella?" fragte Brennus geradezu. Das Herumreden war seine Stärke nicht. Daß Verinus ihn fast erschrocken ansah, wunderte ihn sehr.
„Du weißt...?"
„Ja, ich hab's erfahren; doch ich weiß keinen Trost für dich. Merk dir eine Gladiatorenregel: Gladiator, sei keines Gladiators Freund! Zu oft wurden Blutsbrüder gegeneinander in die Arena geschickt. Begreifst du, was ich meine?"
Verinus nickte bekümmert. „Und du hast nie die Götter um Hilfe gebeten?"
„Anfangs. Ohne Erfolg. Seither vertraue ich mir und meinem Schwert. Falle ich, ist es meine Schuld - nur meine Schuld. Siege ich, will ich den Triumph mit keinem teilen."
Lange Zeit sagte keiner der beiden ein Wort. Verinus tadelte diese Lebenseinstellung und fand doch kein rechtes Argument dagegen.
Brennus schaute sich um. Große Güter erstreckten sich schon seit Salduvia im Flußtal, Obstbäume sonder Zahl und riesige Weinhänge. Iberische Früchte und zumal der Wein waren überall beliebt. Hier gedieh alles prächtig, solange nicht die kalten Winde aus den Hochebenen herabstürmten. Geschah dies zur Unzeit, dann freilich gab es Hunger und Not.
Der Jalus lieferte ausreichend Wasser, um die Anpflanzungen zu versorgen. Sklaven arbeiteten auf den Plantagen und schauten nur kurz nach der vorbeiziehenden Kolonne. Für sie war der Anblick nichts Neues. Tag um Tag wälzten sich Transporte an ihnen vorbei.
„Im Sommer muß es hier herrlich sein!" sagte Brennus versonnen. „Da ein paar Felder haben und einen Garten! Das wäre..."
Der Reiter neben ihm antwortete nicht. Sein trauriges Lächeln erinnerte den Gallier, daß zwischen diesem Wunsch und der Wirklichkeit mancherlei stand. Er griff sich zum Hals. Da war dieser Ring: Eigentum des Lucius Fulvius Flaccus. Von der Schönheit des iberischen Landes konnte der Sklave Brennus nichts abbekommen, und würde er freigelassen, bedeutete das auch nur
Weitere Kostenlose Bücher