Das Grab der Legionen
Verinus' Worte wahr oder nicht?
Schmale, sonnenverbrannte Gesichter blickten ihm entgegen. Die Bärte deuteten darauf hin, daß sich ihre Träger sonst zu rasieren pflegten, es nur auf Kriegszügen unterließen. Dunkle Augen, schwarze Haare, von merkwürdig geformten Helmen bedeckt. Solch einen Kopfschutz kannte er nicht.
Einer trug eine schwarze Feder über der Stirn. Sicherlich war er der Anführer. Doch - hatte er Arevaken vor sich oder ganz gewöhnliche Räuber? Sollten sich die Legionen vor diesen ausgemergelten Gestalten so fürchten? Wie ein Held wirkte keiner, eher übermüdet und abgekämpft.
Ein Dutzend Lanzen bedrohten ihn, kaum daß er den Kamm erreicht hatte. Ein Bewaffneter zog ihm das Schwert aus dem Gurt, nahm den Dolch und bedeutete ihm, aufs Pferd zu steigen.
„Wir werden später reden", radebrechte der mit der Feder. „Die Legionäre!"
Von hier aus sah man, wie jene Römer zurückkehrten, die dem ersten Angriffstrupp erfolglos nachgaloppiert waren. Auch sie hatten die Iberer entdeckt, aber angreifen? Auf dem Steilhang würde niemand lebend oben ankommen. Die Reiter wußten das und zogen weiter, als sähen sie die Arevaken auf der Kuppe nicht.
Diesen Kriegern lag daran, die Spuren zu verwischen. In langer Reihe zogen sie auf gewundenem, kaum. sichtbarem Pfad ins rasch unwirtlicher werdende Hochland. Bald verlor Brennus jede Orientierung.
In einem engen Tal lagerte die Schar zur Nacht, nun wieder etwa dreißig Reiter. Kurz vor Sonnenuntergang waren die anderen gekommen, grußlos und so, als wäre nichts geschehen. Sicher war dies ein vereinbarter Treffpunkt.
Der junge Mann mit der schwarzen Feder hatte den Helm abgenommen und sich zu dem Gladiator gesetzt. Andere kamen dazu, leise Worte fielen. „Wie heißt du, Römer?"
Brennus verwahrte sich gegen die Bezeichnung „Römer" und gab Bescheid. Sein Gegenüber dolmetschte den anderen, und die Auskunft löste Erstaunen und Wortwechsel aus. Offenbar mißtrauten ihm einige. Der Sklave schob den Brustpanzer beiseite und zeigte den Halsring.
„Ein Gladiator in Iberien?"
So einfach wie möglich erklärte der Gallier, daß er Leibwächter der Domina Calpurnia gewesen sei und welche Mission ihn nach Ocilis getrieben habe. Die Hintergründe verschwieg er vorerst „Du liefst davon. Weshalb?"
„Ich will frei sein!"
„Wollte dich deine Herrin nicht freilassen? Du hast es selbst gesagt."
„Wer weiß, ob sie es getan hätte! Ich bin für Sicherheit."
„Sehr weise, Gallier.”
Das Schweigen nach dieser Bemerkung war ein Zeichen, daß die Krieger den Sachverhalt akzeptierten. Wenigstens fürs erste würde man ihn mitnehmen. Ein Mann packte Brotfladen aus und verteilte sie, eine kärgliche Speise für den Leibwächter einer reichen Römerin.
„Wohin bringt ihr mich?" fragte er zögernd.
„Nach Hause, nach Numantia. Der Rat wird entscheiden."
„Ist es noch weit, ja?"
Der junge Mann lächelte unverhohlen. „Wir machen Umwege, denn die Römer beherrschen die Straßen. - Schlaf jetzt, morgen ist ein neuer Tag, und Eschmun möge uns beistehen, daß wir den nächsten Abend erleben."
Zustimmendes Gemurmel erscholl. Ohne viele Worte kümmerten sich die einen um die Pferde, andere erkletterten die umliegenden Hänge zur Nachtwache, die meisten rollten sich in ihre Mäntel, um zu schlafen.
Brennus hatte schon die Augen geschlossen, da erst wurde ihm der Sinn des letzten Satzes klar. „... und Eschmun möge uns beistehen..." Eschmun... Bei dem schwor Sebir, und der war Punier „Ihr seid keine Numantiner?"
Der Anführer wandte kaum den Kopf. „Doch. Ich weiß, was du erwägst. Wir sind aus 'Karthago und zu den Arevaken geflohen. Mit Rom ist eine Rechnung offen, verstehst du?"
„Ach so." Unwillkürlich sagte sich der Gallier, daß seine Lage ähnlich sei. Gehörte er nicht zu diesen Männern? Er grübelte noch darüber nach, als der Schlaf kam.
X
In Malega
Als er ihr die Hand leicht auf die Schulter legte, drehte sich Rega nicht weg. Zu zweit saßen sie auf der Mauerbrüstung und blickten in das kalte, öde Land. Schier ins Unendliche dehnten sich die toten Grasflächen und die verkarsteten Hänge. Das Leben zog sich in die Täler zurück. Die Schafe weideten das dürftige Grün der Uferdickichte ab, das von hier oben wie graugrüne Tupfen aussah. Einige Bäume hatten ihr Laub abgeworfen, alle litten unter der trockenen Kälte. Bisweilen fiel Schnee, und oft zogen sich Eishäute über stille Buchten der Bäche, die noch Wasser
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