Das Grab der Legionen
Stund an frei."
„Und wenn ihr wollt - freie Arevaken", ergänzte der Alte.
In den drei Gesichtern spielten Ratlosigkeit und Unglaube mit einem schwachen Schein erster Freude.
„Woher kommt ihr?" fragte Keri, um sich in Erinnerung zu bringen. „Ist kein Iberer unter euch?"
Er hätte sich nicht zu erkundigen brauchen, denn schon bei Ocilis hatte niemand seine Worte verstanden, und die iberischen Dialekte ähnelten einander stark. Die beiden Frauen erwiesen sich als Etruskerinnen, der Sklave kam aus Utica, aus Punien.
Titus lächelte, als er die Auskunft übersetzte. Von den vielen geflohenen Karthagern in Numantia wußte er inzwischen, und auch in anderen Orten gab es etliche dieser Herkunft.
„Wenn ihr weiterziehen wollt - niemand wird euch hindern", sagte Senkin. „Wir würden uns freuen, falls ihr bleibt."
„Wohin soll ich gehen?" Der Sklave hob die Arme. „Utica ist unterworfen, Karthago zerstört."
Darauf gab es nichts zu antworten. Nach wie vor standen drei Legionen im besiegten punischen Land, allerdings auch wegen der ständigen Reibereien mit den Numidiern. Titus wußte Bescheid, denn damals hätte er ebensogut in den Süden befohlen werden können; der Zufall und das Schicksal hatten für das Cisiberische Heer entschieden. Heute bedauerte er es nicht.
„Es ist dein Wille, der maßgebend ist", sagte Senkin. „Bleibe bei uns!"
„... wenn es dir hier gefällt", ergänzte Rega und lächelte Titus an, worauf sich Keris Miene noch mehr verfinsterte.
"Kalt habt ihr es hier", murmelte der Gefangene. „Aber ich habe mit den Römern noch einiges abzumachen."
Der Centurio übersetzte und fragte: „Was?"
„Meine Frau, meine beiden Töchter wurden verkauft, als ich die unerhörten Steuern nicht bezahlen konnte."
Über das Schicksal der drei Unglücklichen gab sich niemand einer Illusion hin. Titus wußte am besten, der Punier würde sie nie wiedersehen. Ein Wunder müßte geschehen.
„Du willst mit uns kämpfen?" Keri merkte auf. „Wie heißt du?" „Myrkan."
„Bist du erfahren im Kriegshandwerk? Was hast du auf dem Gut gemacht?"
Die beiden Frauen erbleichten, der Sklave lief puterrot an. Verwirrt schauten sich die Iberer an.
„Der edle Herr Lentulus baut kein Getreide an, ein paar Felder werden nur bestellt, um uns nicht verhungern zu lassen. Wir sollten dort etwas ganz anderes tun..." Myrkan zauderte und ballte die Fäuste.
Titus sah, daß er kurz davor war, lauthals zu schreien.
„Dort werden Sklaven gezüchtet!" Jetzt war es heraus.
Wie geohrfeigt fuhr Senkin zurück, er hätte jedes Wort verstanden. Regas Gesicht bedeckte sich mit dunkler Röte. Titus rang nach Luft. Nur Keri blickte fragend und verständnislos von einem zum anderen. Daß Furchtbares gesagt worden war, sah er.
„Er züchtet...?" Titus verkrampfte die Hände. „Das kann nicht wahr sein. Du mußt dich irren!"
„Es ist wahr!" schrie der Punier. „Mit diesen Händen möchte ich ihn erwürgen, wie das jeder von uns tun würde."
Nun erst wiederholte der Römer stockend, was auf dem Landgut bei Ocilis geschah. Keri starrte erst ihn, dann den Mann aus Utica an und suchte nach Worten.
Rega nahm die beiden Sklavinnen bei der Hand und führte sie ohne ein weiteres Wort hinaus. Sie sollten es nicht noch einmal hören müssen. - Sie nickte Titus zu, aber der starrte niedergedrückt auf den Boden.
Wie kann ich zukünftig jemandem in die Augen blicken? dachte er. Römer genannt zu werden ist zur Schande geworden. Gut, daß du starbst, Vater; auch Rom ist tot!
„Setz dich!" sagte Senkin unwillkürlich in Latein, als Myrkan aufstehen wollte. „Sklaven werden dort... Wie Rinder oder Schafe? Ich kann's nicht glauben."
„Jedes Wort ist wahr.” Die Knöchel des Puniers wurden weiß, so krampfte er die Hände ineinander. „Als man mich in das Gut schaffte, fragte ich mich auch: Was kann da sein? Dort gibt es nichts anzubauen. Erst dachte ich an ein Erzbergwerk..."
Titus übersetzte leise.
„Wir waren ein paar hundert, nach und nach, versteht sich. Der Dominus verkündete uns, wir hätten in der Töpferei zu arbeiten. Sie ist noch nicht ganz fertig und soll Tongeschirr sehr billig und in großer Zahl herstellen."
Flaccus pfiff durch die Zähne. Im Senat hatte es deswegen erregte Debatten gegeben, wußte er. Die Volkstribunen protestierten im Namen der Handwerker; nachher müsse der Staat die Ruinierten ernähren, als römische Bürger hatten sie ein Recht darauf. Freilich gab es kein Gesetz gegen Großtöpfereien
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